Sonntag, 30. März 2008

Pessach-Rätsel: Wer weiß?

Liebe Leser,

dank sonnigem Frühlingswetter in Pessachstimmung gekommen, habe ich mich heute an eine Lern-Session erinnert, die ich vor etlichen Jahren mit meinem damaligem Chavruse am akademischen Beit-Midrasch der Hebräischen Universität in Jerusalem gemacht habe und bei der es um die verschiedenen Feste ging, die man heute schlichtweg unter "Pessach" subsumiert. Also, ohne großes Aufheben - ich hob a Kasche far Eich:

Wann findet das eigentliche "Pessach" statt?

Dazu drei Hinweise:

1. Es findet nicht dann statt, wenn alle gut gewaschen und schön angezogen am Tisch beisammen sitzen und die Haggadah vorlesen.

2. Nicht zufälligerweise habe ich hier vom sächlichen Genus Gebrauch gemacht, das im Hebräischen zwar nicht existiert, im Deutschen aber das einzig richtige ist, wenn man vom "Pessach" spricht.

3. Anzugeben sind ein hebräisches Datum und eine Tageszeit, am besten auch die einschälgige Bibelstelle.

Wer will, kann auch angeben, welch biblisches Fest doch an dem Tag und zu der Tageszeit stattfindet, wo im rabbinischen Judentum die Haggadah gelesen wird.

Tja, für manch einen ist das bestimmt eine "Un-Kasche", für andere dürfte es vielleicht etwas schwieriger sein... Unter den richtig Beantwortenden wird jedenfalls ein Schlisch Gan-Eden, d.h. ein Drittel vom Leben im paradiesischen Jenseits verlost (wer das nicht nachzuvollziehen vermag, der bzw. die soll mal in Israel nach seiner Lebensgefährtin bzw. ihrem Lebensgefährten suchen). Zweiter Preis: gloria mundi. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen.

P.S. Der kommende Seder wird mein 29. sein und dennoch der erste, den ich aufgrund meines Aufenthalts in Heidelberg bzw. der immer höher steigenden Öl- und Flugpreise nicht im Familienkreis verbringen werde... Einladungen, insbesondere ostjüdisch-polnischer Art, würden sehr gerne in Empfang genommen! Besten Dank im Vorhinein :-)

Dienstag, 25. März 2008

Apropos zweihundertjähriges Jubiläum

Damit ihr euch da
Nicht allzu sehr gelangweilt fühlet
Und uns'rer Sittlichkeit zum Trotz
Vom falschen Geist getrieben würdet:



...ins Leben gerufen vom seligen Gustaf Gründgens (Hamburger Inszenierung 1960).

Freitag, 21. März 2008

Die Purim-"Schande"

Selbstbestimmung? Souveränität?

Vielleicht nur Selbsthilfe? Selbstverteidigung?

Wozu, wenn sich ein Jude (mal abgesehen vom zuhälterischen Handel mit einem wehrlosen Mädchen als Mittel zum Zweck) Zugang zum Hofe verschaffen kann? Zwar endet die Geschichte vom Hofjuden Mordechei sehr positiv, aber was für ein Beispiel soll das überhaupt sein?

Der biblische "Jude Mordechai" und die Verarbeitungen des "Jud Süß" sind schließlich die beiden Seiten derselben Medaille, sprich: desselben literatischen Motivs.

Es ist durchaus klar, warum solch eine Geschichte in den religiösen Jahreszyklus eines zur Passivität gezwungenen Judentums aufgenommen wurde. Nun ist es aber gleichgültig, wie das Motiv konstruiert, die Geschichte erzählt wird: Hier gibt es kein guter Grund zum Feiern mehr. Es sei denn, man sehnt sich wieder nach derartigen Existenzverhältnissen. Ich aber ziehe den Rechtsstaat vor.

Im Buch Esther kommt übrigens erstmals die Bezeichnung "Jude" bzw. "jüdisch" in ihrem heute noch üblichen Sinne vor (Mordechai soll ja eigentlich ein Benjaminiter gewesen sein, vgl. ebd. 2:5). Es ist eben der für das Exil kennzeichnende, bald erzwungene, bald selbstgewollte Mangel an Bodenständigkeit, der den "Juden" ermöglicht und aufrechterhält.

Ob das nun Konsequenzen für den den Titel dieses Blogs haben sollte?

Donnerstag, 20. März 2008

Wo sich Links- und Rechtsextremismus treffen

Nicht nur Horst Mahler:

In ihrer morgigen Ausgabe bringt die National-Zeitung ein ganzseitiges Interview mit dem sonst doch linksextremen Ilan Pappé zum Thema "Ethnische Säuberung als Staatsziel".

Tja. Das politische Spektrum ist eigentlich ein Kreis, auf dem sich Links und Rechts nicht nur in ihrer mildesten, sondern auch in ihrer extremsten Form treffen.

Übrigens lehrt Pappé seit kürzerem an der britischen University of Exeter, was mit den immer bizarreren Formen des britischen Antisemitismus wohl im Einklang steht.

Und die unausbleibliche Frage sei hiermit vorweggenommen: Es gehört dazu, tunlichst auf dem Laufenden zu sein, wenn man sich mit deutscher Zeitgeschichte befasst.

Frohes Purim
Yoav

Donnerstag, 13. März 2008

Demokratische Werte

Vor genau einer Woche sind in Jerusalem acht Schüler ermordet, viele andere verletzt worden.

Und?

Der Terrorist hat zu diesem Zweck ein MG benutzt, das den Palästinensern im Rahmen des sog. Friedensprozesses vom israelischen Militär geliefert wurde.

Und?

Für den Friedensprozess war in der israelischen Politik v. a. Shimon Peres verantwortlich, der auch die Waffenlieferungen trotz öffentlicher Kritik durchgesetzt hat.

Und?

Heute ist Shimon Peres der israelische Präsident bzw. Staatsoberhaupt.

Und?

Auf diesen etwas merkwürdigen Zusammenhang hat im Fernsehen der Mann hingewiesen, der den Terroristen erschossen hat.

Und?

Das Interview ist sofort unterbrochen worden.

Aber?

Wir sind die einzige Demokratie im Nahen Osten.

Oder?

Montag, 10. März 2008

Who's the Boss?

...lautet nicht nur der Titel einer US-amerikanischen Sitcom-Serie, mit der meine Generation aufgewachsen ist, sondern offensichtlich auch die Überschrift der heutigen Situation in der deutschen Politik. Denn anscheinend ist einem mir bislang unbekannten Antrag des Verteidigungsministeriums auf Bewilligung der Wiedereinführung des Eisernen Kreuzes beim eigentlichen Machthaber, dem Zentralrat der Juden, nicht stattgegeben worden. So scheint jedenfalls aus einem gestrigen Spiegel-Online-Artikel hervorzugehen: "Mit deutlichen Worten hat der Zentralrat der Juden den Vorschlag zur Einführung eines Tapferkeitsordens für die Bundeswehr zurückgewiesen."

Tja. Zurückgewiesen. Muss wohl eine endgültige Entscheidung sein. Oder kann man noch bei Frau Knobloch Revision einlegen? Da fragt man sich, ob das Verteidigungsministerium nicht bessere Chancen hätte, seine Politik durchzuführen, wenn es mal ganz tapfer und mutig die Gründung des Stephan-Kramer-Ordens vorschlüge. Der steht nämlich in keinen, ja gar keinen "unseligen Traditionen", wie es mit dem Eisernen Kreuz der Fall sein sollte.

Tatsächlich finde ich Kramers pauschalisierte Vorstellung von militärischen Traditionen in Deutschland bzw. dem deutschen Mitteleuropa ahistorisch und verwirrt. Denn diese Traditionen lassen sich erst im gesamteuropäischen, zeitlich richtigen Zusammenhang nachvollziehen: Waren etwa Napoleons Eroberungen im damaligen Zusammenhang weniger "unselig" als die Befreiungskriege, im Rahmen deren das Eiserne Kreuz 1813 eingeführt wurde? War der französische Militarismus vor sowie während des Deutsch-Französischen Krieges und des Ersten Weltkrieges irgendwie weniger "unselig" als der deutsche? Natürlich nicht.

Dass nun mitten in Paris, etwa im pompösen Triumphbogen oder im stark militaristisch geprägten Hôtel des Invalides dieselben Traditionen (nur vom umgekehrten Gesichtspunkt aus) gefeiert werden, und zwar ohne dass sie entkontextualisiert mit den späteren Erscheinungen des Nationalsozialismus bzw. des Vichy-Faschismus in Verbindung gebracht werden - das würde Kramer wohl gerne ebenfalls verbieten. Glücklicherweise ist die französische Öffentlichkeit aber nicht der Meinung, dass es ihn überhaupt was angeht. Ob solch eine Haltung in absehbarer Zeit auch hierzulande möglich wäre?

Für den Hinweis auf den Spiegel-Online-Artikel bedanke ich mich bei Dr. Michael Blume (der sich in seinem Blog aber noch nicht auf den Artikel bezogen hat; vielleicht kommt das noch).

Sonntag, 9. März 2008

Der Holocaustkult: Skizze einer Analyse

Inwiefern ist die Holocaustaufarbeitung in den letzten Jahrzehnten Religion bzw. Zivilreligion geworden?

Die öffentliche Vergangenheitsbewältigung weist folgende Züge auf, die auf eine solche Entwicklung hinweisen:

1. Kultstätten bzw. Heiligtümer: Museen, Gedenkstätten, Mahnmale etc., in denen man sich zum Holocaust bekennt bzw. sein Bekenntnis durch passive Teilnahme bestätigt (in der Jerusalemer Gedenkstätte Yad Vashem brennt im Einklang mit Tempeltraditionen sogar eine ewige Flamme).

2. Theologische Seminare: Unzählbare Forschungsinstitute, Lehrstühle usw.

3. Credo: Während im Christentum die Dreieinigkeit die zenrale Rolle spielt, steht im Mittelpunkt des Holocaustkultes die (offensichtlich aufgerundete) Sechs-Millionen-Zahl, die in allen Heiligtümern, aber auch anderwärts, etwa in Gedenkreden bzw. Predigten u. Ä. postuliert wird.

4. Märtyrer und Heilige: Anna Frank, Selma Meerbaum-Eisinger, Henryk Goldszmit bzw. Janusz Korczak und, und, und... Durch die beim Opferkult stattfindende, rituell verfestigte Identifikation mit solchen Gestalten integriert man sich in das Narrativ der "guten" Opfer bei gleichzeitiger Selbstabgrenzung von den "bösen" Tätern.

5. Kanonische Texte: Jede Menge, sogar in filmischer Form (etwa Claude Lanzmanns Shoah, Frankreich 1985).

6. Festtage: Offiziell wird der Holocaust als zentrale Erscheinung des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus am 27. Jänner (Befreiung von Auschwitz) gefeiert. Insbesondere in Deutschland kreist das Jahr auch um den 9. November (Reichskristallnacht). In Berlin wird sogar der 28. Februar (Fabrikaktion) festlich begangen. Mit den Festtagen hängt das Ritual eng zusammen.

7. Gaben: Die Heiligtümer und die theologischen Seminare müssen ja finanziert werden, sei es durch Steuergelder oder auch durch freiwillige Spenden.

8. Geistlichkeit: Und zwar hierarchisiert, von den Wärtern in den Heiligtümern über die Guides als Vermittler des Katechismus bis hin zu den oberpriestlichen Forschern und Dozenten. Der ganze Klerus lebt praktisch von den Gaben, die die Gesellschaft dem Holocaustkult entrichtet.

9. Monopol auf die legitime Interpretation: Wie überall geht es auch bei dieser Religion vornehmlich um Macht, die die Priester- und Levitenzunft nicht zuletzt auch zur Bewahrung der finanziellen Basis benötigt. Anders Denkende werden mithin, wie damals von der katholischen Kirche, zum Schutze des eigenen Kultgegenstandes durch dogmatische Gesetzgebung verfolgt (vgl. David Irving, Ernst Zündel).

Soweit die Skizze. Und jetzt: eure Kritik daran?

Nachtrag [10.03.2008]:

10. Internationalismus bzw. Ökumenismus: Im Gegensatz zu nationalstaatlichen Zivilreligionen ist die Ausbreitung des Holocaustkultes nicht geographisch - und schon gar nicht ethnisch oder konfessionell beschränkt. Ganz im Gegenteil: Der Klerus erhebt Anspruch auf "Katholizismus" im wahrsten Sinne des Wortes (alle betreffend, alles umfassend); der Kult wird demzufolge immer weiter verbreitet; es entstehen dort neue Heiligtümer, wo es bis vor kurzem noch keine gegeben hat (z. B. in Washington D.C., Paris, Berlin, Warschau und an unglaublich vielen anderen Orten); seine heiligen Texte erfreuen sich, insbesondere in filmischer Form, grenzüberschreitender Rezeption; und auch seine Feste, vor allem der 27. Jänner, werden international gefeiert.

Zuerst veröffentlicht auf Chronologs.de