Dienstag, 6. Mai 2008

So ganz reif...

...ist die liberale Demokratie in der Bundesrepublik also noch nicht: Wenn eine Hetzkampagne zum Amtsverzicht führt, ist es ein deutliches Zeichen dafür, dass selbst Träger der politischen Kultur von der Öffentlichkeit nichts Besseres erwarten. Und wenn diese resignieren, was sollten sich normale Bürger denken?

16 Kommentar(e):

Anonym hat gesagt…

Ich verstehe den Blogeintrag, ehrlich gesagt, nicht so recht. Wollen Sie sagen, es wäre ein Zeichen demokratischer Kultur, wenn Herr Krause Minister würde?

Yoav Sapir Berlin Jewish Tours hat gesagt…

Hätte er weitergemacht, so hätte man darin politisches Rückgrat erblicken und dies als Zeichen dafür interpretieren können, dass die Öffentlichkeit nicht mehr so großen Einfluss auf die Politik ausüben kann, wenn sie sich nicht an Mindeststandards hält. Krause hätte hier einen kleinen Kurswechsel einleiten können. Nun hat er aber die Agitationslust seiner Gegner wohl nur noch verstärkt.

Seine politische Linie ist mir übrigens kaum bekannt, also kann ich sie hiermit weder unterstützen noch ablehnen. Eher beobachte ich als Außenseiter die Art und Weise, wie er wegen seiner journalistischen Tätigkeit für die Junge Freiheit, die als politisches Phänomen vollkommen legitim ist, von gegnerischen Journalisten diffamiert und erfolgreich beseitigt worden ist.

Anonym hat gesagt…

Ist es nicht, ganz allgemein gesprochen, Kennzeichen einer funktionierenden Demokratie, dass die "Öffentlichkeit" Einfluss auf die Politik hat? Ich könnte mir übrigens gut vorstellen, dass eine Mehrheit der Bürger überzeugt ist, dass ein Autor der NPD-Zeitschrift "Etappe" nicht für die Leitung des Stiftungsrats des KZ Buchenwald geeignet ist.

Yoav Sapir Berlin Jewish Tours hat gesagt…

Eine funktionierende Demokratie beruht auf Gleichgewicht zwischen tendenziös gesteuerter Öffentlichkeit (es ist ja alles, überall, tendenziös) und dem politischen Machtbereich, der natürlich ebenfalls vom Tendenziösen bestimmt wird, in dem aber immerhin weitgehend Volks- bzw. Bürgervertreter agieren. Wenn Journalisten und Zeitungen - d.h. schließlich keine breiten Bürgerkreise - sich nicht an Standards halten, Hetzkampagnen führen und trotzdem große Resonanz finden, bedeutet das, dass das System nicht mehr so gut funktioniert.

Von seinem Engagement für die NPD habe ich nicht gewusst. Finde ich auch seltsam, obwohl es immer wieder Menschen gibt, die die Junge Freiheit für ihre rechtsextremistischen Ziele ausnutzen wollen (so war es bspw. bis vor kurzem mit Andreas Mölzer). Nun stellt sich Frage: Hatte er mit der NPD vor oder nach seiner Zeit bei der JF zu tun?

Was Gedenkstätten angeht: Soweit ich weiß, befindet sich die Gedenkstätte in Berlin-Hohenschönhausen in der Trägerschaft der Berliner Landesregierung, die bekanntermaßen rot-rot geführt wird... Wie die Kompetenzen da genau verteilt sind, weiß ich zwar nicht, aber selbst wenn ein PDSler für den Aufgabenbereich zuständig ist, dem die Gedenkstätte zugehört, würde ich es nicht besonders problematisch finden, da die Linkspartei eine in Deutschland legitime, d.h. rechtsmäßige Partei ist.

Desgleichen die NPD. Kann sein, dass die NPD verboten werden soll. Aber solange sie noch legitim ist, spricht nichts dagegen, dass NPDler eines Tages im Rahmen ihrer rechtsmäßigen Machtausübung als öffentliche Funktionsträger u. a. mit staatlichen Gedenkstätten zu tun hätten. Und wenn etwas dagegen spricht, dann muss die NPD schon heute als solche verboten werden, ohne später gegen Einzelne zu hetzen (jedenfalls ist Krause heute sowieso bei der CDU, die ebenfalls noch nicht verboten ist).

Anonym hat gesagt…

Ich weiß nicht, was in den Zeitungen alles über Herrn Krause geschrieben worden ist, bin aber der Meinung, dass seine bisherige Biographie Anlass genug bietet, kritische Fragen zu stellen. Eine Hetzkampagne arbeitet mit Verleumdungen, wo finde ich die in diesem Fall? Also: Herr Krause wäre zwar als Minister legal, aber er erfüllt nicht die Mindeststandards für das Amt eines Kultusministers - meine Meinung. Ich finde, der Vorgang ist ein Beispiel für ein funktionierendes Gleichgewicht zwischen Öffentlichkeit und Politik.

Anonym hat gesagt…

Dem schließ ich mich an.
Es heißt ja nicht, wenn eine Handlung legitim ist, dass diese öffentlich gut zu heißen oder nur zu ertragen ist. Nur weil etwas im Rahmen der rechtstaatlichen Ordnung abläuft ist es demokratisch oder menschlich ... (Agamben!)
Zudem erfüllt ja die Presse gerade ihren Auftrag als vierte kritische Gewalt wenn sie Prozesse, die eben nicht der Kontrolle des Volkes (Demokratie) unterliegen - die Besetzung von Kabinettsposten - wenn sie diese kritisch hinterfragt und Druck ausübt. Und wenn dieser Druck keinen Resonanzkörper im Volk gefunden hätte, wäre der Ruf wohl auch nicht laut genug gewesen, um Herrn Kraus aus seiner angestrebten Position zu drängen.

Grüße

Yoav Sapir Berlin Jewish Tours hat gesagt…

Hallo David,

wie schon gesagt, geht es hier nicht um Herrn Krause selbst, der mir kaum bekannt ist, sondern um die Hetzkampagne gegen ihn, die sich - und das ist der Punkt - aus seiner früheren Tätigkeit für die JF speisen wollte. Wie sich inzwischen herausgestellt hat, gibt es auch andere Gründe, weshalb man meinen kann, er passe nicht zu diesem Job. Die Tätigkeit für die JF kann und darf aber kein solcher Grund sein.

Trotzdem spielte die JF in dieser Kampagne die Hauptrolle. Wenn etwa die taz auf die Tätigkeit für die JF hinweist, um den ehemaligen Mitarbeiter zu diffamieren, erfüllt sie nicht die Mindeststandards, die man unter Kollegen in der unabhängigen Presse erwarten darf.

Überhaupt ist die JF in den letzten Jahren zu einer Art Lackmuspapier für Pressefreiheit und demokratische Kultur geworden. Es sei nur an die gesetzeswidrige Behandlung der JF durch den Verfassungsschutz NRW erinnert. Nun wollte mancher so tun, als wäre es dem Verfassungsschutz nicht rechtlich verboten worden, damit weiterzumachen. Ich bin mir also nicht ganz sicher, ob man hier die JF benutzt hat, um Krause (vermeintlich!) zu diffamieren, oder ob man eher den Fall Krause benutzt hat, ob wieder gegen die JF hetzen zu können. So oder so scheint mir aber, dass es für die demokratische Kultur in diesem Lande ein positives Zeichen hätte sein können, wenn er trotz der Hetzkampagne gegen ihn und die JF angetreten hätte.

Das mit "Etappe" ist was anderes, nicht nur weil die NPD (im Gegensatz zur JF) als rechtsextrem bezeichnet werden kann, sondern auch weil die "Etappe" (ebenfalls im Gegensatz zur JF) ein Parteiorgan ist und nicht zur unabhängigen Presse dazugehört. Oder würdest du sagen, dass wer heute für die taz arbeitet, nie in der Berliner Regierung ein Amt innehaben dürfte, im Rahmen dessen er u. a. für die Gedenkstätte in Hohenschönhausen zuständig wäre? Immerhin vertritt die taz eine Linie, die noch nach links läuft als die der SPD. Wenn man schon pauschalisiert, dann aber in beide Richtungen... Oder aber man differenziert und beschmutzt sich nicht mit solchen Hetzkampagnen.

Bzgl. Legitimität kann ich nur wiederholen, was ich oben schon gesagt habe: Solange die NPD nicht verboten ist, kann die Affinität zu ihr, geschweige denn eine vergangene, nicht als Argument gegen die Ausübung öffentlicher Kompetenzen akzeptiert werden. Das ist ein noch groberer Verstoß gegen die demokratische Grundordnung als das, was man damit bekämpfen will. Dieses gefährliche Argument sagt nämlich, dass nicht alle Bürgervertreter gleich sind, und das kann wiederum nur bedeuten, dass nicht alle Bürger gleich sind. Wer nicht will, dass NPDler als solche öffentliche Ämter innehätten, hat nur eine akzeptable Handlungsmöglichkeit: Sich für den Verbot der NPD zu engagieren.

P.S.
Um noch was klar zu machen: Ich unterstütze hiermit nicht unbedingt die Linie der JF, deren Staatsverständnis ich oft als allzu norddeutsch empfinde. Aber ich bin mir bewusst, dass die JF, ob sie mir gefällt oder nicht, eine wichtige Phase auf dem langem Weg nach Normalität im politischen Spektrum Deutschlands darstellt - und dass hierzulande nicht wenige gibt, die wollen, dass alles beim Alten bleibt. Wer aber keine Rechte zulässt, erzeugt notwendigerweise Rechtsextremismus.

Anonym hat gesagt…

Mich stört hier doch die Verwendung der Begriffe "Hetzkampagne" und "Diffamierung" im Blick auf den taz-Artikel. Die könnte man verwenden, wenn die berichteten Sachverhalte nicht der Wahrheit entsprächen. Das scheint mir nicht der Fall. Die taz stellt die Fakten zusammen, durch die sich Herr Krause selbst für das Ministeramt disqualifiziert. Und die JF ist in dem Artikel nur ein Mosaiksteinchen neben anderen, steht also nicht im Mittelpunkt der Berichterstattung. (Wenn sich im übrigen PDS-Politiker in offensichtlich verfassungsfeindlichen Postillen mit entsprechenden Artikeln zu Wort melden, sind sie meines Erachtens ebenfalls nicht ministrabel.)

Yoav Sapir Berlin Jewish Tours hat gesagt…

Das Thema läuft bei der taz schon seit einiger Zeit. Von Anfang an ging es darum, dass er für die JF gearbeitet hat. Und das Bild im letzten Artikel bezeugt ja selbst, was im Mittelpunkt steht...

Yoav Sapir Berlin Jewish Tours hat gesagt…

...dazu übrigens auch der Obertitel:

' Karrierekiller "Junge Freiheit" '

Anonym hat gesagt…

Trotzdem: Was ist daran Hetze oder Diffamierung?

Yoav Sapir Berlin Jewish Tours hat gesagt…

Zum einen bietet die JF nichts an, anhand dessen sie als gefährlich oder rechtsextremistisch bezeichnet werden könnte. Eher im Gegenteil: Dieses Milieu versucht den Rechtsextremismus weit ehrlicher zu bekämpfen als das der taz, für das es eben entweder links oder aber Rechtsextremismus, zwischen der noch "tolerierten" Mitte (CDU/CSU) und dem Nichtinfragekommenden also nichts geben soll.

Zum anderen aber wird die JF immer und immer wieder als gefährlich und rechtsextremistisch angegriffen. Anfangs konnte sich diese Kampagne noch auf den Verfassungsschutz NRW berufen, aber inzwischen hat der Bundesverfassungsgericht dem Verfassungsschutz NRW verboten, die JF in seinen Berichten zu berücksichtigen. Dass es nun selbst nach dieser (nur scheinbaren?) Zäsur immer noch zu keinem Kurswechsel gekommen ist, bedeutet, dass bei der taz (wie auch bei manch anderem) die Angriffe gegen die JF und ihr Milieu zum selbsterfüllenden Zweck geworden sind. Es spielt nunmehr offensichtlich keine Rolle mehr, ob man die Vorwürfe belegen kann oder nicht, denn es gelte, die konservative Alternative, die sie zum Rechtsextremismus darstellt, mit allen Mitteln zu bekämpfen.

Wenn die taz auf Berichterstattung verzichtet und sich nur noch auf ihr eigenes Weltbildkonstruktion beschränkt, ist das eine Hetze. Vielleicht nicht im juristischen Sinne, aber im eigentlichen schon. Oder es ist eine Art Werbung. Je nachdem, wie es einem besser gefällt... Nur üben Werbungen in der Regel keinen so großen Einfluss auf politische Entscheidungen aus.

Anonym hat gesagt…

Ok, das sehe ich anders: Wenn die JF ihre Weltbildkonstruktion verbreiten darf, darf die taz es mit Sicherheit auch. Mir ist das Weltbild der taz sympathischer. Die JF absorbiert nicht den Rechtsradikalismus, sondern macht ihn hoffähig. Aber das sind persönliche Wertungen. - Wie gesagt: Im Blick auf Krause kann ich keine Hetze erkennen - er hat sich selbst disqualifiziert.

Anonym hat gesagt…

Hi Yoav,

Kampagne? Ja! Von politischen Interessen gesteuerte Kampagne? Auch Ja! Heuchlerische Kampagne? Leider auch ja.
Aber eben keine Hetzkampagne. Ich habe in allen Berichten die ich über diesen Fall verfolgt habe keine persönlichen Diffamierungen oder Lügen gefunden. Herr Krause hat
a) mehrfach in Zeitschriften publiziert, die in der Grau-Braunzone zwischen Konservativismus und Rechtsradikalismus verortet sind;
b) als promovierter Kulturwissenschaftler später behauptet, die politische Ausrichtung dieser Medien nicht erkannt zu haben.
Um es klarzustellen: Auch rechte Zeitschriften haben in einer Demokratie Platz. Und natürlich ist das Publizieren von nicht strafrechtlich relevanten Inhalten in jeglicher Zeitschrift völlig in Ordnung. Wer aber für ein politisches Amt kandidiert, vor allem in der Mitte der Legislaturperiode, wenn seine Kandidatur nicht von den Wählenden direkt beeinflusst werden kann, muss sich gefallen lassen, dass von den politischen Bettgenossen auf die künftige Politik Rückschlüsse gezogen werden. Und dies ist tatsächlich die Aufgabe der Medien.

Yoav Sapir Berlin Jewish Tours hat gesagt…

Vielen Dank für die interessante Diskussion!

Mich verschlägt's jetzt nach Polen :-)

Anonym hat gesagt…

Gute Reise!

Viele Grüße wivo