Mittwoch, 7. Februar 2007

Oliver Reeses Stück "Goebbels" im Deutschen Theater

Im Rahmen eines internationalen Studienprogramms, an dem ich hier in Berlin teilnehme, habe ich eine kurze Rezension des Theaterstücks "Goebbels" geschrieben:

Vom pathetisch-rührenden Anfang durch den aufregenden Aufstieg bis zum drohenden Untergang begleiten wir die Person Josef Goebbels in ihrer widersprüchlichen Vielfalt, die Goebbels selbst in seinem Tagebuch sorgfältig beschrieb. Auf einer minimalistisch gestalteten Bühne treten bald abwechselnd, bald gleichzeitig vier Figuren auf, die verschiedene Stadien in seiner Entwicklung als eigenständige Minipersönlichkeiten verkörpern, wodurch auch die Konflikte zwischen den teilweise entgegengesetzten Seiten zum Ausdruck kommen: Dieses Theaterstück dürfte auch »Josef« heißen. Auf die bekannten, sonst wo so oft aufgegriffenen Hintergrundinformationen wird dabei verzichtet, sodass im kleinen Saal eine intime Vertraulichkeit mit den letzten Endes allgemein menschlichen, ewig aktuellen Wünschen und Ängsten des teuflisch Begabten, aber läppisch Lahmen entsteht. Ob Goebbels sich der von ihm mit durchgeführten Katastrophe schlussendlich doch bewusst werden konnte, wirkt vor diesem Hintergrund eher nebensächlich; vielmehr wird man mit der Frage konfrontiert, ob Goebbels sich dabei als Mensch entfaltete, manifestierte und vollends zum Ausdruck kam, ob er also sein Leben auslebte. Zumindest mit einer Seite des selbst beschriebenen Goebbels – sei es mit dem ängstlichen Nebbich, dem Möchtegerncasanova, dem Fachdemagogen oder dem linientreuen, eigentlich unverwirklichten Künstler – kann sich der Zuschauer identifizieren: Hätte er anders machen können oder gar wollen? Und inwiefern wird unser Leben nicht von uns selbst gestaltet, sondern von einem Zufall, einer Banalität, etwa einem geschwollenen Fuß von der Kindheit an schicksalsmäßig bestimmt? Oliver Reeses »Goebbels« ist ein Stück, das bisweilen über die geschichtlichen Fakten hinausgeht und das allgemein Menschliche zu berühren weiß.

Eine weit längere Rezension findet ihr in der taz (mehr konnte ich im Netz nicht finden).

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