Heute habe ich erfahren, dass angehende, am Geiger-Kolleg studierende Reformrabbiner, darunter auch eine Frau, ihr Israel- bzw. Jerusalemjahr am kürzlich gegründeten Steinsalz-Zentrum verbringen. Ich gehe mal davon aus, dass die meisten unter euch den vornehmen, herzlichen und leistungsstarken Rabbiner Adin Ewen-Israel (geb. Steinsalz) noch nicht kennen: Ganz kurz gefasst, ist er a Baal-Tschuwe, a gewor(d)ener und äußerst überzeugter Chossid im Allgemeinen und ein sehr berühmter Lubawitscher im Besonderen. 1965 hat er das "israelische Institut für taldmudische Veröffentlichungen" gegründet, wo seither - mit großem Erfolg - v. a. an der hebräischen Übersetzung des babylonischen, seit kürzerem auch des Jerusalemer Talmuds gearbeitet wird. Für diese Erschließung des zweitwichtigsten Textes im jüdischen Kanon hat er 1988 den Israelpreis verliehen bekommen. Seit 2005 figuriert er auch als Präsident der erneuten Sanhedrin, die die höchste Instanz der orthodox-jüdischen Weltjustiz bilden soll - was das Reformjudentum nie wird anerkennen können, da es selbst nie anerkannt werden wird. 2006 hat er sein neues Zentrum eröffnet, wo Erwachsenen nichtakademische, sozusagen freizeitliche Kurse zum (selbstverständlich orthodoxen) Judentum, insbesondere zur Kabbalah (jüdischen Mystik und Grundlage des später entstandenen Chassidismus) angeboten werden.
Selbstverständlich ist den angehenden Rabbinern und Rabbinerinnen des Geiger-Kollegs nicht untersagt, an diesen Kursen teilzunehmen, falls sie sich dafür interessieren (und das sollten sie jedenfalls tun!). Aber wie kommt es zur Zusammenarbeit zwischen den beiden Einrichtungen, die fast nichts miteinander zu tun haben und eigentlich ganz andere, ja entgegengesetzte Wege beschreiten? Da kann man sich schon Einiges vorstellen; meine Vermutungen bleiben aber noch in meinem Köpfl. Jedenfalls haben jetzt diese Studenten die wunderbare Gelegenheit, viel Neues zu lernen und sich dabei selbst in eine ganz neue Richtung zu entwickeln. Wie sie sich aber nachher zum alten Studienort noch verhalten werden, wird sich noch zeigen.
P.S.
Die Geiger-Studenten sind mir zwar nicht persönlich bekannt, aber es wäre ja nicht auszuschließen, dass mancher unter ihnen in Jerusalem im Allgemeinen und an dieser Einrichtung im Besonderen nicht als Jude anerkannt werden kann...
P.S.2
Und dabei können sich die Geiger-Leute, soweit ich weiß, nicht einmal in Berlin mit den Lubawitschern verstehen...
P.S.3
Wenn ich mich recht daran erinnere, was in den Newsletters des Steinsalz-Zentrums steht (den letzten habe ich schon gelöscht), bekommen Frauen und Männer den Unterricht zuweilen nur getrennt erteilt; manche Kurse sind auch nur für Frauen, andere nur für Männer bestimmt. Naja, das habe ich von den Entscheidungstreffenden am Geiger-Kolleg, die sonst ja das Schlagwort Gleichberechtigung praktisch zum Dogma erheben, nicht erwartet.
Donnerstag, 26. Juli 2007
a seltsamer Schiddech
Am 26.7.07
Stichwörter: Geiger-Kolleg, Jerusalem, Steinsalz
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12 Kommentar(e):
Da am Geiger-Kolleg Leute studieren, die einen liberalen Giur haben, liegst Du richtig. Wäre die Frage, warum sich eine ganze Reihe Liberaler wie magisch von orthodoxen Aktivitäten angezogen fühlt.
Lieber Adi,
dein Kommentar ist einer längeren Antwort wert; vorerst muss ich mich aber mit Folgendem begnügen:
1. "*Machon* Steinsalz" gibt es nicht. Es gibt den "hamachon hajisre'eli lepirsumim talmudijim" bzw. "das isrelische Institut für talmudische Veröffentlichungen", das vor kurzem in das Gebäude des Steinsalz-Zentrum umgezogen ist. Das Institut beschränkt sich aber auf reine Forschung und bietet keine Abendkurse an.
2. Aufgeschlossenheit beginnt zuhause. Das heißt: In Berlin. Wie oft gehst du eigentlich zu den Kursen, die Chabad Berlin anbietet?
3. Grundsätzlich kann es ja auch dazu kommen, dass einer der Studierenden nicht mehr an das Geiger-Kolleg zurück möchte. Aber nicht wegen "Gehirnwäsche", sondern aus Überzeugung. Aber noch wichger ist die folgende Frage: Hältst du chassidisches Gedankengut wirklich für "Gehirnwäsche", sodass du nicht einmal auf den Konjunktiv zurückgreifst? Hat man es dich am Geiger-Kolleg gelehrt?
4. Nanu, es gibt also "rabbinische Begleitung durch das AGK" vor Ort! Wie schön, dass das Geiger-Kolleg seinen Beitrag zur Beseitigung des dortigen Mangels an Rabbinern leistet. Hoffentlich sind auch Krankenschwestern und Ärzte aus Berlin hingeschickt worden, um die Studierenden vor allen geistigen und andersartigen Krankheiten zu beschützen, die sich in Jerusalem so frei verbreiten. Und du meinst noch, das wäre "aufgeschlossen"...
Übrigens, Adi: Wenn ich mich daran erinnere, dass du dich mal als Jude verkleidet hast, sowie an unsere damalige Diskussion... wundert das mich irgendwie nicht mehr.
Das mit der rabbinischen Begleitung macht Tuvia Ben-Chorin, ehemals liberaler Rabbiner der Züricher Gemeinde Or-Chadasch.
Wäre natürlich fatal, wenn jemand, der einen liberalen Giur hat, nicht mehr ans agk zurück will.
Ich habe mehrere Fälle erfahren, in denen Menschen, die entweder auf nicht allgemein gültige Art und Weise übergetreten oder Kinder derart übergetretener Mütter sind, sich anschließend auch allgemein gültig haben konvertieren lassen. Ich finde es gut und richtig. (Nun wollte ich die Gründe dafür nennen, stattdessen mache ich daraus einen Beitrag)
Ich habe kein persönliches Problem. Trotzdem darf ich diejenigen kritisieren, die im Glashaus sitzen und dennoch mit Steinen werfen.
Ich habe einen ganz langen Beitrag zur Übertrittsfrage geschrieben, aber mir scheint er sich hier nicht wirklich zu gehören.
Sagen wir also nur, dass es auch Leute gibt, die liberal oder konservativ übergetreten sind, aber später festgestellt haben, dass sie noch nicht ganz "dazugehören" und dass es ihnen doch wichtig ist, überall "dazugehören" zu können. Ich finde es dann in Ordnung, wenn sie dann abermals übertreten; immerhin kann ihnen mit diesem Wunsch kein liberaler oder konservativer Rabbiner weiterhelfen.
Aber damit bin ich ja schon vollkommen von unserem eigentlichen Thema abgewichen...
Adi,
Pardes ist "überkonfessionell" aus Überzeugung. Übrigens: Als ich noch in Jerusalem war, haben wir (meine Freunde und ich) den Lernsaal für unsere Lerngruppen mit benutzt. Das Steinsalz-Zentrum ist nicht überkonfessionell, was an sich natürlich noch keinen Nachteil bildet. Wie ich bereits im Beitrag geschrieben habe, bekommen die Stipendiaten eine wunderbare Gelegenheit, sich zu bereichern und weiterzuentwickeln. Es warst du, der du es mit dem Streben nach Aufgeschlossenheit begründet hast. Und da fragt man sich, was das Geiger-Kolleg in Berlin tut, um Aufgeschlossenheit zu fördern. Die Studenten wollen Chassidismus bei einem Lubawitscher lernen? Wunderbar! Aber warum nach Jerusalem fahren, und nicht zuerst nach Wilmersdorf?!
Ferner fragt man sich, wie es dazu kommt, dass ein aufgeschlossener Student am Kolleg von Gehirnwäsche redet und ein möglicher Gesinnungswandel bzw. Übertritt bei einem seiner Kommilitonen überhaupt für erklärungsbedürftig hält...
Jüd.Ber.:
Es geht nicht um die eine oder andere Person, sondern um die bloße Vorstellung, dass die Stipendiaten überhaupt "rabbinische Begleitung" in Jerusalem(!) benötigen. Hilfe bei der "Integration" könnte ich verstehen, aber dass angehende Rabbiner nicht in der Lage seien, sich selbst Gesprächspartner zu suchen - in einer Stadt wie Jerusalem? Was bedeutet das überhaupt, "rabbinische Begleitung"? Gehen die Stipendiaten in den Kampf? In Jerusalem werden sie viel mehr lernen können als in ihrer gesamten Berlin-Zeit. Da müssen sie halt offen sein, offen bleiben, sich lehren lassen...
Mit anderen Worten: Sie sollten nicht dort hinfahren, um "Lerninhalte in einen Reformkontext zu stellen", wie es Adi formuliert hat. Wenn schon, dann um das, was sie am Geiger-Kolleg studieren, in den größeren Kontext zu stellen. Sie kommen ja aus der Peripherie in das Zentrum, nicht umgekehrt...
Lieber Adi,
du hättest von keinen Anführungszeichen bzw. dem Konjuktiv Gebrauch machen sollen, jedenfalls nicht deswegen, weil ich dich kritisiere; immerhin spiegelt es deine ehrliche, sozusagen unbewusste Haltung wider. Aber warum diese Haltung? Und das m. W. nach deinem Jerusalemjahr...
Wenn schon, dann hättest du die Aussage anders beschließen sollen: Nicht damit, dass es da "rabbinische Begleitung" gibt, sondern - erst recht beruhigend - damit, dass du solche Erfahrungen gar nicht für Gehirnwäsche halten würdest, jedenfalls für keine größere als die Gehirnwäschen, denen wir tagtäglich auf der Straße, im Fernsehen usw. usf. ausgesetzt sind.
Beim Abbau deiner Vorurteile gegen Chabad kann ich dir wahrscheinlich nicht helfen... Dafür bin ich kaum repräsentativ. Ich glaube auch nicht, dass ich welche gegen das Geiger-Kolleg oder seine Studenten habe (übrigens: müssen sich die Studenten selbst finanzieren? Jerusalem ist ja sehr teuer!). Ich schätze die Arbeit des Kollegs hoch und bin mir auch ziemlich sicher, dass es mit der Zeit nur besser wird. Aber gerade deswegen liegt es nahe, schwierige Fragen zu stellen. Oder?
Nichtsdestoweniger kannst du gerne mal vorbeikommen, natürlich auch JüBer. Schreib mir einfach ein E-Mail (die Adresse findest du auf der rechten Spalte).
Hallo Yoav,
mich würde Dein beitrag zum Gijur interessieren.
Das israelische Oberrabbinat ist gerade mitten dabei, einen "allgemein gültigen" Gijur zunichte zu machen (wenn es den je gegeben hat - und ich rede ausschließlich von versch. orth. Gijurim: wer z.B. in Bnei Brak übertritt, wird in Jßlem noch lange nicht anerkannt, o. in Berlin vs. München vs. Köln vs. London: alle orthodox).
medbrain
Ich habe über unsere Diskussion nachgedacht und festgestellt, dass wir auf mehreren Ebenen zugleich diskutiert bzw. unterschiedliche Themen ohne ausreichende Differenzierung angesprochen haben.
Was mich angeht, so würde ich es folgendermaßen zusammenfassen:
1. Das Leben besteht ja nicht nur aus Schwarz und Weiß und ist auch nicht auf Grautöne beschränkt. Es können daher verschiedene Narrative einstweilen nebeneinander existieren (vgl. "Evolution" vs. "Schöpfung"). Man muss also nicht unbedingt "für" das eine und "gegen" das andere sein; dafür ist die Welt doch zu kompliziert. Das gilt nun auch für die Unterschiede zwischen dem AGK und dem Steinsalz-Zentrum, Reformjudentum bzw. Chassidismus.
2. Mein ursprüngliches Anliegen war, die Verbindung zwischen dem AGK und dem Steinsalz-Zentrum kritisch zu beleuchten, sofern ich als Außenseiter dazu fähig bin. Aber Kritik heißt nicht Abneigung, Ablehnung oder Bevorzugung des einen vor dem anderen. Kritik heißt, auf Schwierigkeiten hinzuweisen, indem man Fragen stellt, die auch unbeantwortet bleiben können.
3. Das Thema interessiert mich, weil ich beide Einrichtungen hochschätze. Allerdings aus unterschiedlichen Gründen: Die größte Leistung des AGK ist seine bloße Existenz in einem Land, das heutzutage noch recht wenig aufzuweisen hat und in qualitativer Hinsicht am Rande der jüdischen Weltkarte liegt. Damit will ich keinen beleidigen: Wer sich auskennt, weiß, wovon ich rede. Das AGK ist einer unter wenigen Bahnbrecher, und schon deswegen soll es hochgeschätzt werden. Gleichsetzbar mit Jerusalemer Einrichtungen ist es aber längst nicht. Meine Aussagen rühren also nicht daher, dass das AGK nicht gut genug ist, sondern daher, dass Jerusalem einem angehenden Rabbiner weit bessere Bildungs- und Erfahrungsmöglichkeiten bieten kann als Berlin.
4. Was Chassidus angeht, so gibt es für jeden Juden die für seine jeweilige Lebensphase angemessene Dosierung. Bei Juden, die sich erstmals damit bekannt machen, besteht natürlich auch die Möglichkeit, dass sie davon glücklich werden. Wenn es dazu kommt, sollen sich die anderen für diese Person freuen, dass sie ihre geistige Heimat (zumindest für die jetzige Lebensphase) gefunden hat.
5. Bei alledem bin ich über Etliches gestolpert, was Adi gesagt hat. Darauf habe ich manchmal a Bissl ironisch reagiert; in manchen Sachen bin ich nämlich schon etwas empfindlich. Jedenfalls sind auf diese Weise mehrere Themen durcheinander geraten, was offensichtlich zu Missverständnissen geführt hat.
So... Jetzt scheint mir die Sache gewissermaßen abgeklärt zu sein. Es sei denn, es wollen noch Einwände erhoben werden.
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