Samstag, 28. Juli 2007

Manchmal

...stolpert man über eine Webseite, die man halt teilen muss. Dieses Mal: Künstlerische Holocaustaufarbeitung, die womöglich auch ohne besondere Hebräischkenntnisse verständlich ist: http://www.armadil.net/work.asp?id=92

Jedenfalls würde ich mich über die Interpretationsversuche derer freuen, die gar kein Hebräisch können.

Im Übrigen ist seit kurzem meine Magisterarbeit zur Auflösung der Judenfrage. Das Bild des Juden im Spielfilm der DDR frei zugänglich: http://ostdeutsche.judenfrage.googlepages.com

Donnerstag, 26. Juli 2007

a seltsamer Schiddech

Heute habe ich erfahren, dass angehende, am Geiger-Kolleg studierende Reformrabbiner, darunter auch eine Frau, ihr Israel- bzw. Jerusalemjahr am kürzlich gegründeten Steinsalz-Zentrum verbringen. Ich gehe mal davon aus, dass die meisten unter euch den vornehmen, herzlichen und leistungsstarken Rabbiner Adin Ewen-Israel (geb. Steinsalz) noch nicht kennen: Ganz kurz gefasst, ist er a Baal-Tschuwe, a gewor(d)ener und äußerst überzeugter Chossid im Allgemeinen und ein sehr berühmter Lubawitscher im Besonderen. 1965 hat er das "israelische Institut für taldmudische Veröffentlichungen" gegründet, wo seither - mit großem Erfolg - v. a. an der hebräischen Übersetzung des babylonischen, seit kürzerem auch des Jerusalemer Talmuds gearbeitet wird. Für diese Erschließung des zweitwichtigsten Textes im jüdischen Kanon hat er 1988 den Israelpreis verliehen bekommen. Seit 2005 figuriert er auch als Präsident der erneuten Sanhedrin, die die höchste Instanz der orthodox-jüdischen Weltjustiz bilden soll - was das Reformjudentum nie wird anerkennen können, da es selbst nie anerkannt werden wird. 2006 hat er sein neues Zentrum eröffnet, wo Erwachsenen nichtakademische, sozusagen freizeitliche Kurse zum (selbstverständlich orthodoxen) Judentum, insbesondere zur Kabbalah (jüdischen Mystik und Grundlage des später entstandenen Chassidismus) angeboten werden.

Selbstverständlich ist den angehenden Rabbinern und Rabbinerinnen des Geiger-Kollegs nicht untersagt, an diesen Kursen teilzunehmen, falls sie sich dafür interessieren (und das sollten sie jedenfalls tun!). Aber wie kommt es zur Zusammenarbeit zwischen den beiden Einrichtungen, die fast nichts miteinander zu tun haben und eigentlich ganz andere, ja entgegengesetzte Wege beschreiten? Da kann man sich schon Einiges vorstellen; meine Vermutungen bleiben aber noch in meinem Köpfl. Jedenfalls haben jetzt diese Studenten die wunderbare Gelegenheit, viel Neues zu lernen und sich dabei selbst in eine ganz neue Richtung zu entwickeln. Wie sie sich aber nachher zum alten Studienort noch verhalten werden, wird sich noch zeigen.

P.S.
Die Geiger-Studenten sind mir zwar nicht persönlich bekannt, aber es wäre ja nicht auszuschließen, dass mancher unter ihnen in Jerusalem im Allgemeinen und an dieser Einrichtung im Besonderen nicht als Jude anerkannt werden kann...

P.S.2
Und dabei können sich die Geiger-Leute, soweit ich weiß, nicht einmal in Berlin mit den Lubawitschern verstehen...

P.S.3
Wenn ich mich recht daran erinnere, was in den Newsletters des Steinsalz-Zentrums steht (den letzten habe ich schon gelöscht), bekommen Frauen und Männer den Unterricht zuweilen nur getrennt erteilt; manche Kurse sind auch nur für Frauen, andere nur für Männer bestimmt. Naja, das habe ich von den Entscheidungstreffenden am Geiger-Kolleg, die sonst ja das Schlagwort Gleichberechtigung praktisch zum Dogma erheben, nicht erwartet.

Montag, 23. Juli 2007

a Link farn 9. Aw

"So spricht der Herr der Heere: Das Fasten des vierten, das Fasten des fünften, das Fasten des siebten und das Fasten des zehnten Monats werden für das Haus Juda Tage des Jubels und der Freude und froher Feste sein. Darum liebt die Treue und den Frieden!" (Sach. 8:19)

Nach dem biblischen Jahreskreis, der mit dem Auszug aus Ägypten bzw. dem späteren Monat Nissan anfängt, ist Aw der fünfte Monat und das "Fasten des fünften" folglich der 9. Aw. In Israel gibt es immer mehr Juden, die sich avantgardistisch auf die freudige Zukunft dieses Tages vorbereiten: http://www.temple.org.il

Sonntag, 15. Juli 2007

Körperschaften und Gentlemen

Im Dezember habe ich einen Beitrag über das "doppelte Verhältnis" der Juden in Deutschland zum Staat, in dem sie leben, geschrieben und mich dort auf den so genannten Staatsvertrag zwischen dem Zentralrat und der Bundesregierung bezogen (ein weiteres Beispiel auf regionaler Ebene bildet der kürzlich unterzeichnete Hamburger Staatsvertrag). Gegen meine Sichtweise wird bisweilen eingewandt, dass die Juden doch kein Ausnahmefall seien, da die einzelnen jüdischen Gemeinden sowie der Zentralrat religiöse bzw. kirchenrechtliche "Körperschaften des öffentlichen Rechts" sind; und da haben ja auch die EKD und die Katholische Kirche in Deutschland ähnliche Staatsverträge mit Bund und Ländern abgeschlossen.

Doch gerade dieser Vergleich veranschaulicht m. E. den qualitativen Unterschied zwischen den Kirchen und den Jüdischen Gemeinden, denn Letztere - sowie der Zentralrat - werden ja nicht von Geistlichen bzw. Rabbinern, sondern von ganz "weltlichen" Politikern geführt. Ich kann mir zwar vorstellen, dass in den Gremien der EKD auch Laien tätig sind, die sich aus religiösen Gründen für ihre Gemeinden engagieren (im katholischen Fall erscheint es mir hingegen eher unwahrscheinlich, dass Laien die Kirche in solchen Sachen vertreten dürfen). Doch selbst diesen religiösen Hintergrund (Motivation, Umfeld...) ist in den jüdischen Gemeinden und dem Zentralrat nicht vorhanden.

Themawechsel: Ha'aretz erzählt in seiner Wochenendausgabe unter dem Titel "SS-Offizier und Gentleman" von SS-Brigadeführer Karl Rink, der mit einer Jüdin verheiratet und dennoch ein überzeugter Nationalsozialist war - bis auf die Judenfrage. Das Paar lebte in Berlin und hatte eine Tochter. Der a Bissl naive Rink versuchte, die beiden, die eh auch von der jüdischen Umgebung ausgestoßen wurden, zu schützen, solange er nur konnte. Doch schließlich wurde ihm ein Ultimatum gestellt: Entweder er lässt sich scheiden oder er wird als Jude (in dem Fall also Geltungsjude) behandelt. Rink entschied sich für den Nationalsozialismus. Die Frau wurde kurz nachher auf Befehl von Rinks Vorgesetztem ermordet. Im allerletzten Augenblick, am Vorabend des Krieges, erfüllte er noch sein Verprechen an seine Frau und schickte seine Tochter nach Israel, die heute in einem Kibbutz lebt. Im Kriege war er in osteuropäischen Ghettos tätig, setzte sich aber verschiedentlich für Juden ein. Nach dem Krieg erfuhr er, wie seine Frau umgebracht wurde, und ermordete seinen ehemaligen Vorgesetzten.

Später hat er Briefe mit seiner Tochter gewechselt, die lange noch davon überzeugt gewesen ist, dass er ein ausgesprochener Kriegsverbrecher war. Doch Überlebende, denen er half, haben ihr von ihm erzählt. Diese Zeitzeugen haben ihm auch die Möglichkeit verschaffen, nach Israel einzureisen ohne in Haft genommen zu werden. Eine Woche vor seiner geplaten Reise verriet ihm sein Herz und er starb in Berlin.

Eine in Deutschland wohl noch unbekannte Figur?

Donnerstag, 12. Juli 2007

Wie jüdisch darf der Judenstaat sein?

Nach ein paar Enttäuschungen - alle ganz meinerseits - habe ich in Berlin versucht, politische Israel-Veranstaltungen zu vermeiden. Israelis, die hierher kommen, um zu einem mehr oder weniger politischen Thema zu referieren, neigen nämlich leider allzu oft zu Linksextremismus. Es dauert dann a bissl, bis ich mich wieder beruhigt habe.

Trotzdem war ich heute in der israelicshen Botschaft mit einer Studentengruppe bei einem Vortrag von Dan Golan, dem Leiter der Kulturabteilung, über "Kulturen in Israel". Dabei hat er viel behauptet, womit ich nicht einverstanden war, aber besonders aufgefallen sind mir drei Punkte (ich zitiere aus dem Gedächtnis; das Gespräch fand auf Englisch statt, da er kaum Deutsch kann):

1. "Es gibt in der Kultur Israels keine Klassik, da der Staat erst 1948 gegründet wurde." Nach dem Vortrag habe ich darauf hingewiesen, dass es nach diesem Prinzip auch keine deutsche Klassik gäbe, da der heutige deutsche Staat, die BRD, erst 1949 gegründet und 1955 unabhängig wurde; trotzdem sind die Kulturvertretungen dieses neuen Staates weltweit nach einer Person benannt, die ja bereits 117 Jahre vor Staatsgründung starb: Goethe. "Da waren die Deutschen aber auch vorher auf verschiedene Weise souverän." Auch die Polen waren in den letzten Jahrhunderten lange nicht wirklich, nicht überall und manchmal auch halt gar nicht souverän, und trotzdem versuchen sie nicht über diese Zeit hinwegzusehen, erwiderte ich (übrigens: Was heißt hier überhaupt "souverän"? Der Dichter ist ja als solcher immer souverän!). Warum soll denn etwa die hebräische Dichtung von Jehuda HaLevi ausgeschlossen werden? "Man muss aber auch eine sprachliche Kontinuität haben", hat er mir geantwortet, "ich kann diese Texte nicht verstehen." Nanu! Diese Dichtung ist ja Pflichtlektüre an israelischen Schulen! Und außerdem ist die Sprache eigentlich dieselbe, nur wird sie heutzutage als gehoben empfunden.

Um ihn aber vor dem deutschen Publikum nicht in Verlegenheit zu bringen, habe ich ihm einfach gesagt, dass gewöhnliche Deutsche heute mittelhochdeutsche Texte ebenfalls nicht verstehen können. "Mehr kann ich nicht sagen", lautete seine Antwort - und zwar mit guten Grunde, denn eigentlich geht es nicht um das Selbstverständnis des Staates, sondern eher um seinen ganz persönlichen Wunsch, dass Israel ein "normaler", abendländischer Staat wäre, der die "Last" der jüdischen Vergangenheit nicht mehr trüge und die Juden somit "normalisieren" könnte. Und Normalisierung setzt natürlich einen neuen Anfang voraus. Also: Keine Klassik.

Anschließend hat er erzählt, dass diese Selbstbeschränkung seiner Abteilung auf Staatsbürger auch praktische Folgen hat: Als man darum gebeten hat, dass die Abteilung einen finanziellen Beitrag zu einer Ausstellung über Albert Einstein leisten würde, hat sich die Abteilung "nach langer Diskussion" geweigert, da Einstein doch kein Staatsbürger war. Nun soll man bedenken, dass Einstein, einem bekennenden Zionisten, 1952 die israelische Präsidentschaft angeboten wurde, die er allerdings ablehnte, v. a. um sich mit der Physik weiter befassen zu können. Und trotzdem: Für die Präsidentschaft war er gut genug, für finanzielle Leistungen aber nicht mehr?! Da wäre es doch besser gewesen, Mangel an Mitteln als Grund zu geben! Übrigens vererbte Einstein die Rechte auf die Nutzbarmachung seiner Person und Werke an die Hebräische Universität Jerusalem.

2. "Das israelische Recht ist nicht das jüdische Recht, sondern geht auf das britische Mandat zurück." Dies war der Zustand bis 1980, als das israelische Parlament ein Gesetz (das "Rechtsgrundlagengesetz") erließ, nach dem dem israelischen Recht nunmehr das "jüdische Erbe" zugrunde liegt, sofern die Behandlung eines Falls nicht aus israelischen Gesetzen oder rechtlichen Präzendenzfällen zu ziehen ist. Dass unsere "tollen" Richter gerne von diesem Gesetz absehen, gebe ich zu; doch dieses Gesetz gibt es immerhin! "Dazu kann ich nichts sagen", hat er geantwortet, "mir ist das besagte Gesetz nicht bekannt" - sic!

3. "Israel sei kein jüdischer Staat, sondern einer für die Juden. In Neuseeland [wo er vorher gearbeitet hat] gibt es Christen, wenige davon sind Gläubige; käme jemand auf die Idee, Neuseeland als christlichen Staat zu bezeichnen?" - Erstens steht im israelischen (allmählich zustande kommenden) Grundgesetz mehrmals, d.h. in mehreren Teilgesetzen, geschrieben, dass Israel ein "jüdischer und demokratischer Staat" ist; der Hinweis auf den Staat als "jüdischen Staat" liegt auch bereits in der Unabhängigkeitserklärung vom Jahre 1948 vor. Zweitens greift Neuseeland für seine Nationalsymbole (Staatsfahne und -wappen) nicht auf christliche Symbole zurück; Israel tut es doch. Diese Einwände habe ich dann aber nicht mehr vorgebracht, da er offensichtlich schon ganz irritiert war. Naja, es wäre ihm wohl lieber gewesen, wenn alle ihm einfach so geglaubt hätten.

Also? Was kann man nach solch einer Erfahrung noch sagen? Seit langem denke ich mir, dass ich kein guter Diplomat wäre, weil ich keinem Staat meine Zunge zur Verfügung stellen könnte, mit dessen Politik ich nicht unbedingt einverstanden bin. Da ist mir die eigene Meinung schon zu wichtig, um eine andere zu vertreten. Doch anscheinend kann man selbst als Diplomat weiterhin die eigene Meinung aussprechen, so extrem sie sein mag, sogar wenn sie kaum etwas mit der Wirklichkeit zu tun hat. Oder gilt das nur für ganz bestimmte Meinungen? Jedenfalls bin ich als Israeli sehr von Herrn Golan enttäuscht, der zumindest hätte sagen können, dass er jetzt nur seine eigene Meinung ausspricht. Und wenn ich mir dann vorstelle, dass er diesen Vortrag überall in Deutschland hält...!

In der Tat folgt er aber einfach der Vision Herzls, von der ich wenig halte und die erfreulicherweise auch recht wenig mit der israelischen Wirklichkeit zu tun hat. Vielleicht schreibe ich später auch darüber.

Sonntag, 8. Juli 2007

Die Deutsche Frage im heutigen Österreich

Liebe alle,

gerade habe ich ein neues Blog eröffnet, dass diejenigen unter euch ansprechen kann, die sich für Geschichte und insbesondere für österreichische Geschichte interessieren:

Deutschösterreich?
Eine kritische Erörterung des heutigen österreichischen Selbstverständnisses


Bis auf weiteres
Yoav

Montag, 2. Juli 2007

Goldenes Schweigen?

Zugegebenermaßen habe ich bisweilen doch Einiges zu sagen. Nun ist es jedoch so, dass ich es - wenn überhaupt - dann aber nur für mich selbst aufschreibe. Denn das, womit man nicht öffentlich auftritt, muss man später nicht apologisieren. Es kommt nämlich der Augenblick im Leben, wo man zurückblickt, Bilanz zieht und - besser spät als nie - feststellt, dass Schweigen des Öfteren in der Tat Gold ist.

Bin ich also Feigling? Das mag wohl sein. Aber wie viel kann ein junger, ausländischer "Nachwuchswissenschaftler" heutzutage schon riskieren?

Nein, auch in Anbetracht der geringen Chance, dass sich irgendein Entscheidungstreffender für meine hiesigen Beiträge interessieren würde, möchte ich kein Held sein. Und außerdem scheint diese Funktion doch ziemlich gut von Henryk M. Broder erfüllt zu werden.