Sonntag, 9. März 2008

Der Holocaustkult: Skizze einer Analyse

Inwiefern ist die Holocaustaufarbeitung in den letzten Jahrzehnten Religion bzw. Zivilreligion geworden?

Die öffentliche Vergangenheitsbewältigung weist folgende Züge auf, die auf eine solche Entwicklung hinweisen:

1. Kultstätten bzw. Heiligtümer: Museen, Gedenkstätten, Mahnmale etc., in denen man sich zum Holocaust bekennt bzw. sein Bekenntnis durch passive Teilnahme bestätigt (in der Jerusalemer Gedenkstätte Yad Vashem brennt im Einklang mit Tempeltraditionen sogar eine ewige Flamme).

2. Theologische Seminare: Unzählbare Forschungsinstitute, Lehrstühle usw.

3. Credo: Während im Christentum die Dreieinigkeit die zenrale Rolle spielt, steht im Mittelpunkt des Holocaustkultes die (offensichtlich aufgerundete) Sechs-Millionen-Zahl, die in allen Heiligtümern, aber auch anderwärts, etwa in Gedenkreden bzw. Predigten u. Ä. postuliert wird.

4. Märtyrer und Heilige: Anna Frank, Selma Meerbaum-Eisinger, Henryk Goldszmit bzw. Janusz Korczak und, und, und... Durch die beim Opferkult stattfindende, rituell verfestigte Identifikation mit solchen Gestalten integriert man sich in das Narrativ der "guten" Opfer bei gleichzeitiger Selbstabgrenzung von den "bösen" Tätern.

5. Kanonische Texte: Jede Menge, sogar in filmischer Form (etwa Claude Lanzmanns Shoah, Frankreich 1985).

6. Festtage: Offiziell wird der Holocaust als zentrale Erscheinung des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus am 27. Jänner (Befreiung von Auschwitz) gefeiert. Insbesondere in Deutschland kreist das Jahr auch um den 9. November (Reichskristallnacht). In Berlin wird sogar der 28. Februar (Fabrikaktion) festlich begangen. Mit den Festtagen hängt das Ritual eng zusammen.

7. Gaben: Die Heiligtümer und die theologischen Seminare müssen ja finanziert werden, sei es durch Steuergelder oder auch durch freiwillige Spenden.

8. Geistlichkeit: Und zwar hierarchisiert, von den Wärtern in den Heiligtümern über die Guides als Vermittler des Katechismus bis hin zu den oberpriestlichen Forschern und Dozenten. Der ganze Klerus lebt praktisch von den Gaben, die die Gesellschaft dem Holocaustkult entrichtet.

9. Monopol auf die legitime Interpretation: Wie überall geht es auch bei dieser Religion vornehmlich um Macht, die die Priester- und Levitenzunft nicht zuletzt auch zur Bewahrung der finanziellen Basis benötigt. Anders Denkende werden mithin, wie damals von der katholischen Kirche, zum Schutze des eigenen Kultgegenstandes durch dogmatische Gesetzgebung verfolgt (vgl. David Irving, Ernst Zündel).

Soweit die Skizze. Und jetzt: eure Kritik daran?

Nachtrag [10.03.2008]:

10. Internationalismus bzw. Ökumenismus: Im Gegensatz zu nationalstaatlichen Zivilreligionen ist die Ausbreitung des Holocaustkultes nicht geographisch - und schon gar nicht ethnisch oder konfessionell beschränkt. Ganz im Gegenteil: Der Klerus erhebt Anspruch auf "Katholizismus" im wahrsten Sinne des Wortes (alle betreffend, alles umfassend); der Kult wird demzufolge immer weiter verbreitet; es entstehen dort neue Heiligtümer, wo es bis vor kurzem noch keine gegeben hat (z. B. in Washington D.C., Paris, Berlin, Warschau und an unglaublich vielen anderen Orten); seine heiligen Texte erfreuen sich, insbesondere in filmischer Form, grenzüberschreitender Rezeption; und auch seine Feste, vor allem der 27. Jänner, werden international gefeiert.

Zuerst veröffentlicht auf Chronologs.de

7 Kommentar(e):

Anonym hat gesagt…

Gehört zu einer Religion nicht auch noch ein Moment von Transzendenz? Hier geht es doch leider um sehr irdische Vorgänge.

Alle anderen Kriterien, die Du aufführst passen auf jede gesellschaftliche Großinstitution (den Staat als prominentestes Beispiel vielleicht herausgegriffen).

Yoav Sapir Berlin Jewish Tours hat gesagt…

Transzendenz: Nicht unbedingt. Auch im NS-Kult ging es damals um Irdisches bzw. um Sachen, die man sich als sehr irdisch vorgestellt hat.

In der Tat pflegt der Nationalstaat als spätneuzeitliches Phänomen von der französischen Revolution an verschiedene Formen der Zivilreligion, um seinen Anspruch auf Macht bzw. sein Monopol auf die legitime Gewalt zu rechtfertigen. Ist der Holocaustkult aber ein Staat? Müssen damit so viel Macht und Monopolismus verbunden sein?

Anonym hat gesagt…

Ok, jetzt sprichst Du von Kult, nicht mehr von Religion, da würde ich schon unterscheiden. Ich meinte natürlich auch nicht, dass es sich um einen Staat handelt, sondern halt nur um eine Institution, wie auch der Staat eine ist. Das war nur ein Beispiel.

Mit Monopolismus meinst Du wohl vor allem das Verbot der Leugnung des Holocaust. Das einzige was dagegen spricht ist wohl eine sehr abstrakt verstandene Meinungsfreiheit. Es gibt überall auf der Welt (auch in den USA) Einschränkungen dieser Freiheit (so wie es Einschränkungen jedes Freiheitsrecht gibt) und das aus gutem Grund. Mindestens mal so lange es noch Überlebende gibt, sollte man daran festhalten.

Was die Macht angeht: Ist die denn wirklich so wahnsinnig groß? Diese paar Forschungsstellen sind ja nun nicht besonders viel Macht. Und das man ein Ereignis wie den Holocaust erforscht ist ja wohl eine sehr notwendige Sache um zu verhindern, dass es wieder vorkommt, oder?

Yoav Sapir Berlin Jewish Tours hat gesagt…

Es geht um das Akkumulat aller Forschungs-, Gedenk- und Bildungsstätten bzw. um die akkumulierte Macht der "Heiligtümer" und "theologischen Seminare". Und die ist momentan eben groß genug, damit die Leugnung des Kultgegenstandes mit rechtlichen Mitteln streng verfolgt wird. Nicht einmal die Kirchen sind in Bezug auf ihren Kultgegenstand (Gott) so mächtig; da herrscht ja die tatsächliche und keineswegs abstrakt verstandene Meinungsfreiheit.

Und zur ersten Frage: Kult ist nur die Praxis der religiösen Theorie... Beide bilden mithin die zwei Seiten ein und derselben Medaille. Oder wie es der Duden formuliert: "an feste Vollzugsformen gebundene Religionsausübung einer Gemeinschaft".

Sabine Pistor hat gesagt…

wenn ich recht unterrichtet bin, ist jüngst ein holocaust-museum in JAPAN eingerichtet worden.http://history1900s.about.com/cs/museums/
die frage ist, wer hat die deutungsoberheit über das in der tat einzigartige verbrechen? abgesehen davon, dass es sich zu einer jobmaschine entwickelt hat, warte ich darauf, dass unsere weisen es angemessen formal in den gebetskanon integrieren.

Yoav Sapir Berlin Jewish Tours hat gesagt…

In der Tat, Sabine:
http://www.urban.ne.jp/home/hecjpn/indexENGLISH.html
Dabei gibt's in Israel m. W. noch längst kein Hiroshima & Nagasaki Education Center...

Anonym hat gesagt…

Achtung! Wenn die Geschehnisse ( eigentlich egal ob Holocaust oder andere "Maßenvernichtungen" ) noch immer Menschen nicht-einen und nicht zum Nachdenken bringen, dann ist ein nächstes Töten vorprogrammiert.
Auch eine ständige "Feier" der Gedenktage halte ich für pietätlos. Keine kann in die Vergangenheit eingreifen. "Erfahrung" zählt nicht.
Am Holocaust an den ( uns ) Juden wurde der latente aber stets präsente Antisemitismus der europäisch, "christlichen" Kultur, Gesellschaft sichtbar.
Die jetzigen Schuldgefühle sind verständlich, aber NICHT ausreichend!

Ich möchte hier zwei Links setzen zu dem Berater des Ausführenden Heinrich Himmler, Wiligut.
Er war der esoterisch, okkulte "Rasputin" des Hauptverantwortlichen.

http://de.wikipedia.org/wiki/Karl_Maria_Wiligut

http://www.relinfo.ch/wiligut/info.html

pebi68 at gmx net