Sonntag, 5. August 2007

In der Tat a gute Kasche

Damit nicht der Eindruck entsteht, Chabad-Lubawitsch hätte "Immunität" vor meiner Kritik, nehme ich Bezug auf Chabad Berlins letzte "Jüdisches"-Ausgabe (Tammus/Aw 5767 bzw. Juli/August 2007). In der Rubrik "Frage und Antwort" hat man diesmal unter dem Titel "Warum ist das jüdische Gesetz so pingelig?" folgende Frage gebracht (das englische Original finden Sie hier; die deutsche Übersetzung hier):

Warum ist die jüdische Religion so von unwichtigen Details besessen? [...] Mir scheint, das größere Bild geht verloren, wenn man so viel Wert auf Nebensächliches legt. [...] Übrigens habe ich Ihnen diese Frage vor einer Woche schon einmal geschickt, aber keine Antwort erhalten. Haben Sie endlich einmal eine Frage bekommen, die Sie nicht beantworten können?

Und dann die Antwort von Rabbiner Aron (Aharon) Moss (laut chabad.org Lehrer für Kabbalah, Talmud und praktisches Judentum in Sydney, Australien):

Ich habe nie behauptet, alle Antworten zu kennen. [...] Ihre Frage habe ich allerdings sofort beantwortet. Dass Sie meine E-Mail nicht erhalten haben, ist schon die Antwort auf Ihre Frage!

Als ich Ihre Adresse tippte, habe ich nämlich den Punkt von dem "com" weggelassen. Ich dachte, Sie würden die Mail trotzdem bekommen, denn es handelte sich ja nur um einen kleinen Punkt. [...] Kann jemand so pingelig sein, zwischen "yahoocom" und "yahoo.com" zu unterscheiden? Ist es nicht lächerlich, dass Sie meine E-Mail nur wegen eines kleinen Punktes nicht erhalten haben?

Nein, es ist nicht lächerlich. Denn der Punkt ist mehr als ein Punkt. [...] Mir mag er unwichtig erscheinen, aber das liegt nur an meiner Unwissenheit, was das Internet anbelangt. [...]

Das jüdische Leben ist unendlich tief. Jede Nuance und jedes Detail enthält eine Welt an Symbolik. Und jeder Punkt zählt. [...]

Moss' Punkt (ha ha) ist klar; den Vergleich finde ich aber eher ungeschickt, denn damit wird der Abgrund zwischen Mensch und Maschine umso deutlicher. Der Computer ist eine Maschine, die nicht einmal für "dumm" gehalten werden kann, da es auch keine wirklich "klugen" Maschinen gibt; es kommt ja alles darauf an, wie der Mensch sie baut. Dieser hingegen ist ein intelligentes Lebewesen, das von alleine verstehen kann, was bspw. mit "Rathouse Schteglits" gemeint wird, sofern er sich mit der Materie (Berlin) auskennt. Möchten wir nun Gott, der sich mit der Schöpfung höchstwahrscheinlich auskennt, wirklich mit der Maschine gleichsetzen?

Offen gestanden, finde ich jetzt die Frage erst recht angebracht. Mir scheint tatsächlich, dass die halachische Norm stark "angeschwollen" ist und daher vorsichtig verringert werden soll; dementsprechend zu erweitern wäre dann das halachische Ideal.

Ein jüdisches Sprichwort sagt: Wenn der Gerechte des Städtls täglich nur 10 Minuten weniger lernte, würde der Schmied schon gar nicht mehr lernen. Aber wo sind heute die Schmiede? Sterben sie als "geistige Klasse" langsam aus? Lasst uns sie doch lieber reemanzipieren...

P.S. Wenn wir schon bei Verringerung sind: Ich kann schon verstehen, wie mancher auf die Idee kommt, "G-tt" statt "Gott" (oder "g-d" statt "god" usw.) zu schreiben. Und das sogar am Computer bzw. im Internet. Aber liebe Leute: Es gibt nichts, wirklich nichts, was an diesem Fremdwort - das ja zudem auch noch in einer fremden Schrift geschrieben wird - heilig sein könnte. Ganz im Gegenteil: Wenn man undifferenziert allerlei heiligt, verliert gerade das an Bedeutung, was wirklich als heilig zu erachten ist.

7 Kommentar(e):

Miriam Woelke hat gesagt…

B"H

Hi Yoav,

es gibt tatsaechlich Leute, die G - tt mit oder ohne Bindestrich schreiben. Auch im Internet, so wie ich. Falls ich jetzt speziell gemeint war.:-)

Fuer mich ist der Name, egal in welcher Sprache (Shulchan Aruch und ich glaube Talmud Shvuot) immer noch wichtig, denn ich weiss ja gewoehnlich nicht, was die Leser mit meinen eventuell ausgedruckten Beitraegen machen. Muelleimer oder nicht.:-)

Zum Chabad - Rabbi kann ich nur Folgendes sagen:
Sein vergleich ist sicher hilfreich fuer einen Juden, der sich in der Religion auskennt. Fuer das Gegenteil sehe ich seinen Punkt weniger hilfreich.
Aber ich muss zugegeben,dass mir sein Beispiel gefaellt.

Warum die Halacha so wichtig und weitfuehrend ist, ist ein grosser Streitpunkt. Sicher geht es mir manchmal auch zu weit.
Vielleicht sollten wir alle ausgerechnet vom Chabad - Gruender Rabbi Shneur Zalman von Liadi lernen, der da sagte, dass die Chassidut / Kabbalah uns den Sinn der Mitzwot gibt.
Denn Sinn zu verstehen, halte ich fuer das Wichtigste und danach stellt sich der Sinn nach der Detailfrage kaum noch. Will sagen, dass sich niemand mehr ueber die Deatil - Fuelle beschwert.

Yoav Sapir Berlin Jewish Tours hat gesagt…

1. "Gott" ist keiner der Namen Gottes. Genauso gut kannst du auch "D" (wie "ד") schreiben. Gnisa-bedürftig ist beides nicht.

2. Gerade unter den Orthodoxen wird noch heimlich davon erzählt, wie die wichtigsten Rabbiner aller Exilländer einst zum Herrscher der Welt kamen und ihm sagten: "Dein armes Volk hält es kaum noch aus. Bitte, lass uns los!" Da erwiderte der Oberste: "Gut, gut. Aber so einfach ist es nicht. Denn nur so, wie die Thorah gegeben wurde, kann sie auch zurückgenommen werden."

Die großen Rabbiner haben den König aller Könige gleich verstanden (vgl. Megilah 29:1) und begannen mit den Vorbereitungen auf das große Ereignis. Als alles bereit war, versammelte sich ganz Israel wieder vor jenem Berg. Die Hörner ertönten, der Himmel blitzte. Die Rabbiner bestiegen den Berg und überreichten die Thorah. Dann sprach Gott: "Tut mir Leid, aber so was habe ich euch nie gegeben!"

Verwirrt kamen die Rabbiner ins Lager zurück, und die Versammlung löste sich aus Verlegenheit auf. Und so bleiben wir bis zum heutigen Tage mit dem jüdischen Recht.

Wenn ich es aber Leuten weitererzähle, die sich nicht so gut mit Jiddischkeit auskennen, wundern sie sich darüber. Anscheinend haben sie sich nicht genug "mit Oreise befasst".

Miriam Woelke hat gesagt…

B"H

Laut dem Shulchan Aruch gilt der Name G - ttes in allen Sprachen. Es gibt allerdings Rabbiner, die Dessen vollen Namen ausschreiben, da sie anscheinend davon ausgehen, dass nur relig. Juden ihre Buecher lesen.
Chabad tut es nicht und schreibt, so wie ich, das Wort mit Bindestrich.

Mit Megillah meinst Du wahrscheinlich den Jerusalemer Talmud und da wuerde es mich interessieren, was der Vilna Gaon dazu meint.:-)

Aber da es nur eine Gemara ist, kann sie genauso wiederlegt werden, denn bekanntlich ist ja fast alles Machloket.:-)
In der Thora stehen zwar die Gesetze, doch richtig erklaert werden sie nur im Talmud und jener gibt unendliche Gemarot, aus denen sich wieder neue Gesetze ableiten. Ausserdem gibt es den beruehmten "Zaun um die Thora".
Wenn wir nur starrsinnig allen geschriebenen Gesetzen folgen taeten, waeren wir Kara'im. Um die Mitzwot ausfuehren zu koennen, benoetigen wir Erklaerungen, die genauso wieder andere Regeln mit sich bringen.

Yoav Sapir Berlin Jewish Tours hat gesagt…

1. Was du meinst bezieht sich, wenn ich dich recht verstehe, auf den Inhalt von Aussagen, d.h. auf das Verbot, Gott zu erwähnen, wo es sich nicht gehört. Unter Umständen kann es auch für Schriftliches gelten, z. B.: Unter Bezugnahme auf Gott zu verfluchen, ist m. M. n. auch dann verboten, wenn man es "nur" schreibt. Aber all das hat noch nichts mit der Schreibweise zu tun, d.h. dieses Verbot gilt für "Gott" genau so wie für "G-tt".

Ohnehin ist da von Gnisa keine Rede. Denn es wird auch nicht behauptet, diese allgemeinen Bezugnahmen gölten als Gottes Namen, was Israels Glaube und Sprache angeht. Schließlich sagst du doch tatsächlich "Gott" und nicht "Gokk" (wie "Elokim"). Oder?

Umso klarer scheint mir die Sache zu sein, wenn es sich ums Internet handelt, da der digitale Text ungreifbar und daher gnisa-unfähig ist. Du hast zwar gesagt, dass du dir Sorgen machst, dass jmd. deinen Kommentar ausdrucken würde etc. - Aber dafür kannst du nicht mehr verantwortlich sein. Sonst müsstest du ja auch beim Reden nie "Gott", sondern wirklich "Ge-Bindestrich-Te-Te" sagen; wer weiß, ob jemand nicht auf die Idee käme, deine Aussage aufzuschreiben, und später den Zettel wegwürfe?

2. Mit Megilah 29:1 habe ich den Bavli gemeint. Die Meisse ist aber humoristisch gemeint und sollte als Antwort auf deinen Kommentar veranschaulichen, dass gerade die Milieus, in denen man sich doch um das Verständnis bemüht, selbstkritisch geworden sind. Schließlich trifft das aber nicht nur aufs Judentum, sondern auch aufs Leben schlechthin zu: Je mehr man lernt, umso klarer wird ihm, wie wenig er eigentlich versteht. Oder...?

Miriam Woelke hat gesagt…

B"H

Hi Yoav,

mir ist es trotz aller Meinungen einfach lieber, G - tt mit Bindestrich zu schreiben. Dafuer schreibe ich jedoch nicht Yechezkel oder aehnliche Namen mit Bindestrich, denn das geht mir dann doch zu weit.

Bei Chassidim ist letzteres genauso der Fall. Sie schreiben יחזק - אל

Soll halt jeder so machen, wie er will. :-)

Anonym hat gesagt…

shawua tov an euch beide (und dem rest der das liest). zu diesem thema gibt es bereits einige she'iltot und tschuwot von rabbanim: hier nur ein kleiner auszug aus dem fragen+antworten pool der webseite YESHIWA.ORG.IL
שאלה:
האם יש להקפיד לשנות את המילים המכילות את האותיות
א-ל , י-ה , ולהגות אותן באותיות ק-ל , ק-ה, (כשלא מתכוונים לאמרם לשם דבר שבקדושה), וכן האם יש לומר צבקות במקום צבאות, וכדומה?
האם יש צורך לפריד אותיות אלו כאשר הן נכתבות על דף, ואם כן אז האם מספיק קו קטן מעליהם או שצריך להפרידם ממש ע"י מקף?
האם יש עדיפות לכתיבת שם השם באות ד’ מאשר באות ה’?

תשובה:
א) מצד הדין כשמזכירים שם שמיים בכבוד הראוי מותר לומר את השמות, א-להים, א-ל, צבא-ות, ואפילו שלא בתוך פסוק. ויש נוהגים להחמיר בזה, אבל אין בכך חובה. אולם את השם אדנ-י אין אומרים אלא בברכה או תוך פסוק. ואת השם המפורש אין מזכירים כלל, מלבד כהנים בבית המקדש.
ב) כאשר כותבים שמות אלו על דף, מוטב לכתוב קו מפריד בין האותיות, שעל ידי כך אין כאן כתיבה כשרה של שם השם, ואם הנייר יתבזה, שם שמיים לא יתבזה. קו מעל האותיות לא יועיל.
ג) כאשר מזכירים את השמות שלא בהקשר של קדושה, כגון צבאות אירופה, אין לכתוב קו מפריד. וכמובן שכאשר כותבים גרמניה, אין לכתוב שם קו מפריד. וכן בשמות עבריים כמו ידידיה או בית אל אין צורך לכתוב קו מפריד.
ד) אין עדיפות לכתוב שם ד' על שם ה'.
דינים אלו ועוד רבים בנושא זה פורטו בפניני הלכה ח"ד עמודים 98-118.

weitere antworten zum thema sind auf unter dem link http://www.yeshiva.org.il/ask/?srch=1&cat=&search_in=2&q=%EB%FA%E9%E1%FA++%F9%ED
zu finden.

gruss
fritzi

Yoav Sapir Berlin Jewish Tours hat gesagt…

@miriam: Wenn es dir "einfach lieber" ist, dann gibst du doch zu, dass es eine rein willkürliche Sache ist. P.S. Wenn schon, dann schreibt man nicht יחזק-אל sondern יחזקא-ל.

@fritzi: Die von dir zitierte Antwort bezieht sich darauf, wie Gottes Namen in *hebräischer* Sprache geschrieben werden sollen.