Mittwoch, 19. Dezember 2007

"Seid unbequem, seid Sand, nicht das Öl im Getriebe der Welt!" (Günter Eich)

Nach der gestrigen Begegnung mit dem menschenunwürdigen Sprachgebrauch im Theater Heidelberg, musste ich noch etwas erleben, und zwar, wie es viele gebildete Leute in meiner Umgebung gar nicht so auffällig finden. Offenkundig handelt es sich hier um tief verwurzelte, vielleicht unbewusste, jedenfalls für natürlich gehaltene Denkmuster, denen man aktiv entgegenzutreten hat. Also habe ich folgenden Brief an die in der Anzeige angegebenen E-Mail-Adresse geschickt:

Sehr geehrte Damen und Herren,

im Spielplan für Januar 2008 haben Sie eine Anzeige veröffentlicht, mit der Sie u. a. "Mischlinge" anwerben wollen. Mich hat Ihre Wortauswahl sehr überrascht, weshalb ich Sie auf Folgendes hinweisen möchte:

1. Die Menschheit lässt sich nicht in unterschiedliche Tierarten aufteilen. Die Menschen, die Sie mit diesem menschenverachtenden Sprachgebrauch meinen, sind folglich keine Mischung zweier Arten, sondern schlicht und einfach Menschen, wie Sie und ich und jede(r) andere.

2. Nicht zufälligerweise suchten die Nationalsozialisten ihren Rassenwahn durch die entkontextualisierte Anwendung zoologischer Begriffe auf Menschen zu unterstützen. Ohne diese sprachlich-kognitive Infrastruktur wäre die durchgängige Ausgrenzung nicht von den ehemaligen Mitbürgern akzeptiert, die öffentliche Dehumanisierung nicht möglich und die systematische Ausrottung von Menschen nicht durchführbar gewesen. Weiteres zur Macht des unbewussten Sprachgebrauchs finden Sie in Victor Klemperers LTI. Notizbuch eines Philologen.

Insbesondere bin ich davon enttäuscht, dass man derartigen Vorstellungen nun ausgerechnet im Heidelberger Stadttheater begegnen muss.

Mit freundlichen Grüßen
Yoav Sapir


Aufklären könnt ihr natürlich ebenfalls (selbstverständlich auch wenn ihr anderwärts wohnhaft seid) und zwar unter: hanno.nehring@gmx.de

Umso schlimmer, weil gefährlicher ist diese Wortauswahl ja gerade dann, wenn sie keinem rechtsextremistischen Milieu entstammt, wo man den Vorfall noch leichtfertig verwerfen könnte, sondern von einer tonangebenden, meinungsbildenden Einrichtung ausgeht wie dem Theater Heidelberg und sich in ein Projekt (im Rahmen der "Afrikatage") einschleicht, das ansonsten doch aufgeklärt und aufgeschlossen wirkt und daher einen weit größeren suggestiven Einfluss ausübt.

Nachtrag [11.02.2008]: Weiteres dazu hier.

0 Kommentar(e):