Samstag, 6. Jänner 2007

Eine kleine Fernsehkritik

Gut Woch allerseits,

so, vor kurzem bin ich wieder in den Alltag zurückgekehrt. Inzwischen hat sich aber ziemlich viel bei mir angehäuft, weshalb ich mich vorerst etwas kürzer halten muss: Kürzlich habe ich drei Sendungen des arte-Vierteilers "Die Enthüllung der Bibel" gesehen, ein sehr interessantes Stück Bibelkritik nach der Auffassung des Tel-Aviver Archäologen Israel Finkelstein. Für ihn sowie für seinen engsten Kollegen, Neil Asher Silberman, geht es immer darum, die Funde so zu interpretieren, dass die Bibelerzählungen zur Geschichte Israels weitestgehend als eine fast konspirative, bloß ideologische Propaganda "enthüllt" werden könnten. Obwohl oder eigentlich gerade deswegen, weil die Meinungen der beiden, die für Vertreter der "Tel-Aviver Schule" in Sachen Bibelkritik gehalten werden können, von vielen anderen Forschern kaum angenommen werden, tragen sie viel zur Diskussion bei und ihre Bücher erfreuen sich breiter Leserschaft. Allerdings kann man ruhig davon ausgehen, dass ihre Interpretationsversuche genau so den eigenen politischen Anschauungen dienen, wie sie es der Bibel vorwerfen.

Von diesem wichtigen Zusammenhang möchte arte, der als deutsch-französischer Sender schon von der Geographie her in der heutigen Peripherie des Faches Bibelarchäologie arbeitet, jedoch gerne absehen. Denn durch Finkelstein bietet sich anscheinend die Gelegenheit, die Bibel gerade in der westchristlichen Hochsaison zu unterminieren, ohne die Karten offen legen zu müssen - nach allem ist es hier kein "normaler" Gesprächspartner, sondern ein Jude aus Israel, der uns seine Vermutungen zu den Bibelgeschichten "enthüllen" und dennoch den Sender zugleich von der Notwendigkeit befreien sollte, doch etwas Abstand zu halten und vielleicht sogar kritisch zu sein. Dass Finkelsteins Auffassung und Annahmen sehr umstritten sind, wird also nicht einmal erwähnt. Ferner wird z. B. auch gar nicht darauf hingewiesen, dass Finkelsteins im Programm sehr oft und als einzige vorgebrachte Datierung archäologischer Funde, anhand deren er viele Bibelgeschichten widerlegen zu können glaubt, in der Tat ein Extremfall ist, der bewusst von der sonst an den Universitäten üblichen Datierungsmethode abweicht. Ganz im Gegenteil: Finkelsteins Meinungen und die vielen Interview-Ausschnitten mit ihm bilden den Kern des Programms, das größtenteils eigentlich eine kritiklose Verfilmung seines ersten Buches mit Silberman zum Thema ist. Seine Aussagen werden mit so viel Entschlossenheit vorgestellt, dass man unbewusst den Eindruck gewinnt, sie wären schon im Konsens und unter den Forschern weit verbreitet. Und um diesen Eindruck zu verstärken, werden sie auch noch durch kurze Aussagen anderer, selbstverständlich gleichgesinnter Gesprächspartner ergänzt und bestätigt. Noch einseitiger kann es einfach nicht werden.

Hätte ich es von arte als "aufklärerischem" Sender erwarten sollen? Offensichtlich doch, denn die Aufklärung als solche ist ja eine säkularisierte Religion und zwar eine fanatische. Was arte damit im Hinblick auf Politik und Propaganda bezwecken will, lässt sich leicht vermuten.

Finkelsteins Bücher (in Zusammenarbeit mit Silberman) sind höchst interessant, selbst wenn er sich auch dort erlaubt, auf die unerlässliche Auseinandersetzung mit anderen Forschern zu verzichten. Man muss sie zwar mit Verdacht lesen, aber sie bieten viel Stoff zum Nachdenken. Schade, dass er sich so gerne vom Fernsehen missbrauchen lässt, um seine Meinungen zusammenhang- und kritiklos als die einzig gültigen vorbringen zu können (was übrigens gar nicht so schlimm wäre, wenn das Programm nicht der "Enthüllung der Bibel", sondern seiner Person gewidmet wäre).

1 Kommentar(e):

Anonym hat gesagt…

Schön, Dich wieder zu lesen. Ist die Mame wieder gut zuhause angekommen?

Ich finde, wenn man mit der Haltung der Hermeneutik des Verdachts lesen will, dann ist es sinnvoll gewisse Grundkenntnisse zu haben. Und bei wem kann man die noch voraussetzen - außerhalb der Kreise des Fachpersonals?