Dienstag, 27. November 2007

Das Schmita-Jahr zu unserer Zeit

Vor kurzem habe ich hier eine neue "Reihe" angefangen: Jüdische Politik. Heute möchte ich es mit einem ersten Beispiel veranschaulichen.

Und der Ewige redete zu Mosche auf dem Berg Sinai und sprach: "Rede zu den Kindern Israels und sprich zu ihnen: wenn ihr in das Land kommt, das ich euch gebe, so soll das Land dem Ewigen einen Sabbat feiern. Sechs Jahre besäe dein Feld und sechs Jahre beschneide deinen Weinberg und bringe seinen Ertrag ein; aber im siebenten Jahr soll ein Sabbat vollkommener Ruhe sein für das Land, ein Sabbat dem Ewigen; dein Feld sollst du nicht besäen und deinen Weinberg nicht beschneiden. Den Nachwuchs deines Schnittes sollst du nicht abmähen und die Trauben deines unbeschnittenen Weinstocks sollst du nicht lesen; ein Sabbatjahr sei es für das Land. Es sei aber der Sabbat des Landes für euch zum Essen, für dich und für deinen Knecht und für deine Magd, sowie für deinen Mietling und für deinen Beisassen, die sich bei dir aufhalten. Auch für dein Vieh und für das Getier, das in deinem Land ist, sei all sein Ertrag zum Essen."

[...]

Und ihr sollt meine Satzungen üben und meine Rechtsvorschriften wahren und sie üben; so werdet ihr in Sicherheit im Land wohnen. Und das Land wird seine Frucht geben, und ihr werdet essen zur Sättigung und in Sicherheit darin wohnen. Und wenn ihr sagt: 'Was sollen wir essen im siebenten Jahr? Wir dürfen ja nicht säen und unsern Ertrag nicht einbringen!' So will ich euch meinen Segen entbieten im sechsten jahr, daß es den Ertrag bringe für die drei Jahre. Ihr werdet säen im achten Jahr, und noch Altes essen von dem Ertrag; bis zum neunten Jahr, bis dessen Ertrag einkommt, werdet ihr Altes essen. Das Land aber soll nicht für immer verkauft werden; denn mein ist das Land, denn Fremdsassen seid ihr bei mir. Und in dem ganzen Land eures Besitzes sollt ihr Einlösung gewähren für das Land.


- aus 3. Mose 25, 1-7 bzw. 18-24 (vgl. auch 2. Mose 23, 10-11 sowie 5. Mose 15, 1-11)

Wie viele von euch wohl schon wissen, ist heuer (5768) solch ein Schmita-Jahr. Auf die Einzelheiten dieses Begriffs will ich jetzt zwar nicht eingehen, aber man kann sich auf der englischsprachigen Wikipedia einen ziemlich guten Überblick verschaffen. In diesem Beitrag beziehe ich mich auf den landwirtschaftlichen Aspekt des Schmita-Jahres (außer ihm gibt es auch den finanziellen Aspekt des Schuldenerlasses). "Schmita" bedeutet auf Hebräisch ungefähr "Wegfallen-Lassen" oder "Verzicht"; im landwirtschaftlichen Zusammenhang bedeutet es, dass man (in diesem Jahr) auf die Bodenbearbeitung verzichtet und das Land sozusagen in dessen natürlichen, noch nicht urbar gemachten Zustand zurückfallen lässt.

Dieser siebenjährliche Verzicht auf die Landwirtschaft birgt in sich eine soziale Vorstellung von größter Bedeutung: Alle sieben Jahre wird das Volk vom physischen Arebitszyklus befreit und kann sich anderen Aktivitäten, etwa geistiger Weiterentwicklung widmen.

Diese Vision kann jedoch nur dann verwirklicht werden, wenn das Volksleben - wie damals - auf der Landwirtschaft beruht, was auf unser Zeitalter kaum noch zutrifft. Vor diesem Hintergrund wird verständlich, warum heutige Diskussionen über das Schmita-Jahr allzu oft am Eigentlichen vorbeigehen (s. Beispiel).

Es gilt also, das biblische Ideal für unsere Zeit anwendbar zu machen. Ansätze gibt es schon in mehreren Ländern, vor allem im Erziehungsbereich (Lehrer, Hochschul- und Universitätsprofessoren). Aber was bedeutet die biblische Vision für uns, die wir in einem Zeitalter leben, wo die Wirtschaft und die mit ihr zusammenhängenden Arbeitsverhältnisse nicht mehr land- bzw. bodengebunden sind? Es liegt also Israel ob, auf diese Frage eine umfassende Antwort zu geben und der Welt ein funktionierendes Modell anzubieten, wie es im antiken Israel der Fall war. Im Grunde genommen geht es darum, jedem Arbeiter - wenn auch nicht allen zugleich - die Möglichkeit zu geben, sich nach sechs Arbeitsjahren 12 Moante lang einem Schaffensbereich zu widmen, der über sein normales Tätigkeitsfeld hinausgeht.

Während dieses Lernurlaubs kann sich der Arbeiter weiterentwickeln und damit die Gesellschaft als Ganzes zu bereichern: Bürokaufleute können sich dann mit Religionsphilosophie, Juristen mit schaffender Kunst, Bäcker mit Volkswirtschaftslehre usw. usf. befassen - je nachdem, wovon sich jeder angezogen fühlt.

Wenn der Arbeiter nach dem einjährigen Lernurlaub in den Dienst zurückkehrt, bringt er nicht nur neue Kraft und Lust mit, sondern (hoffentlich) auch neue Einsichten. Er ist dann nämlich in humanistischer Hinsicht höher gebildet als vorher und kann mit diesem geistigen Mehrwert einen besseren Beitrag leisten. Es kann aber natürlich auch sein, dass der Arbeiter während seines Lernurlaubs ein neues Feld entdeckt hat, wo er sich besser entfalten kann und will. In dem Fall gewinnt die ganze Gesellschaft von dieser Bereicherung.

Finanziert werden kann dieses Modell durch freifillig geführte Sparkonten: Jeder - ob Angestellter oder Selbstständiger etc. - hat die Möglichkeit, einen festgelegten Prozentsatz seines monatlichen Gehaltes oder jährlichen Gewinns auf dieses Sondersparkonto überweisen zu lassen. Je niedriger der Grundgehalt, umso größer ist dann der staatliche Zuschuss. Nach sechs Arbeitsjahren kann das Ersparte einschließl. der staatlichen Zuschüsse in staatlich anerkannten Volkshochschulen in Anspruch genommen werden. Ansonsten kann der Arbeiter seinen Anteil zurückbekommen.

Jedenfalls geht es hier nicht um das eine oder andere Detail, sondern um die allgemeine Vision der jüdischen Bibel und die Frage, wie diese Vision zu unserer Zeit verwirklicht werden kann.

Samstag, 24. November 2007

Zersplittertes Volk

Git Woch allerseits,

es ist mir am Schabbes etwas eingefallen, worüber ich eigentlich vor langem schreiben wollte:

Zu den hohen Feiertagen war ich zuhause. Das hat dieses Jahr ziemlich gut geklappt: Nach dem Austauschjahr in Berlin und noch vor der Aufnahme des Zweitstudiums in Heidelberg. Am Versöhnungstage habe ich mit meiner Mame darüber diskutiert, wie sich gerade an diesem Tage so viele, auch "fernere" Juden in der Synagoge sammeln, wie sie dann gewissermaßen kurzfristig zueinander finden. Das ist einerseits sehr schön, führt aber andererseits zu Gedanken über den ansonsten doch sehr zersplitterten Zustand Israels, sowohl im eigenen Staat als auch im Ausland.

Bei dieser Gelegenheit hat mir meine Mame erzählt, dass sie, bevor sie nachts den Schma sagt, ihrem Gebet noch etwas hinzufügt. Wie ihr wohl wisst, handelt es sich beim Schma um das jüdische Glaubensbekenntnis: Höre, Israel: Der Ewige [ist] unser Gott, der Ewige [ist] eins (vgl. 5. Mose 6:4). Ihr Zusatz zum Schma lautet nun folgendermaßen:

Höre, Ewiger: Israel ist dein Volk, Israel ist eins!

Das Schöne an dieser Anspielung, die sowohl als Bitte wie auch als Erinnerung verstanden werden kann, ist ihre Einfachheit und Direktheit. Ich habe es für mich angenommen, wenn auch an einem anderen "Ort". Mir scheint nämlich eine Stelle im Morgen- und Abendgebet dafür besonders geeignet zu sein. Vor dem Schma wird den sog. Liebessegen gesagt, der jeweils anders formuliert ist. Der Abschluss z. B. lautet im Morgengebet: "gesegnet seist du, Ewiger, der sein Volk Israel mit Liebe auserwählt"; und im Abendgebet: "..., der sein Volk Israel liebet". Gleich danach kommt der Schma. Mich dünkt also, dass es besonders gut passt, wenn die besagte Einheitsbitte zwischen den Liebenssegen und den Schma leise einfügt wird.

Und in diesem Sinne wünsche ich euch allen eine angenehme Woche,
Yoav

P.S.
Wenn schon vom Volke die Rede ist: Nächste Woche findet in Jerusalem der neue jüdische Kongress statt. Das diesmalige Thema lautet: "Wer vertritt das jüdische Volk? Die Souveränität des jüdischen Volkes über den Staat im Lande Israels".

P.S. 2
Und wenn wir schon Jerusalem erwähnt haben: Vor kurzem habe ich auf youtube eine kostbare Aufnahme vom Jahre 1970 gefunden (Kontextualisierung: Nach dem Sechs-Tage-Krieg 1967, vor dem Versöhnungstage-Krieg 1973). Es handelt sich um den zweiten jüdischen Liederwettbewerb, bei dem die (ehemalige) Sängerin Ilana Rovina mit dem Lied "Sei von Gott gesegnet" gewonnen hat: "Es segne dich der Herr vom Zion her. Du sollst dein Leben lang das Glück Jerusalems schauen und die Kinder deiner Kinder sehen. Frieden sei über Israel!" (Psalm 128:5-6)



Amen!

Donnerstag, 22. November 2007

Wie können wir die iranische Atombombe bekämpfen?

So macht man es richtig:

U.S. demands Israel crack down on illegal Iranian pistachio imports

American officials are urging Israel to crack down on Iranian pistachio nut imports which are reaching Israel via Turkey despite a ban on Iranian imports into Israel.

U.S. Undersecretary of Agriculture Mark Keenum said in a meeting with Israeli officials in Rome on Monday that the pistachio imports must stop, a U.S. official confirmed Wednesday.

"This causes great anger, especially since pistachios succeed in coming in through a third country," Agriculture Minister Shalom Simhon told Israel Radio.

Both the U.S. and Israel have been pushing for new UN sanctionsto persuade Iran to abandon its nuclear program which Iran insists is only aimed at energy production and not military use. "This has to do with the sanctions but also with the competition between American farmers and Iranian farmers, and we are trying to deal with this," Simhon added.

Simhon said a recent meeting with a senior U.S. agriculture official focused on using technology to detect the origin of pistachios. He said that would involve chemical testing to determine the climate and soil of where the nuts were grown. California is the second largest producer of pistachios in the world, according to the former California Pistachio Coalition. Iran is first.

In the mid 1990s U.S. officials pressured Israel to block the import of Iranian nuts coming through EU member states and winding up in Israel. Tensions have heightened since Iran began pursuing nuclear technology, as the U.S. has pushed the UN to implement new economic sanctions against the country until it gives up the program.

"As a proud native of the golden state (California), I think Israelis should eat American pistachios, not Iranian ones," said Stewart Tuttle, spokesman for the U.S. Embassy in Tel Aviv.


...jetzt bin ich beruhigt.

Dienstag, 13. November 2007

Was heißt jüdische Politik?

Wenn man irgendeine heilige Schrift liest (mit oder ohne Anführungszeichen), kann man sich die Inhalte in drei Aspekten überlegen:

1. Ich-Gott: Was bedeutet es für meine Beziehung zu Gott?
2. Mensch-Mitmensch: Was bedeutet es für meine Beziehungen zu den Menschen, mit denen ich in persönlichen Kontakt komme?
- und
3. Gesellschaft als Ganzes: Was bedeutet es für die Art und Weise, in der wir Menschen unser Gemeinwesen strukturieren, organisieren und leiten?

Mit der Entstehung des modernen Staates und insbesondere mit der Verbreitung der liberalen Demokratie hat der dritte und letzte Aspekt sehr stark an Bedeutung gewonnen. Denn seitdem ist jeder von uns in der Lage, sich politisch zu engagieren und das Gemeinwesen mitzugestalten. Nun ist es so, dass das sog. "Alte Testament" im Allgemeinen und das Pentateuch im Besonderen viel mehr gesellschaftsorientierte Fragen aufgreift als etwa das sog. "Neue Testament", das sich eigentlich zu distanzieren versucht ("in dieser Welt, aber nicht von dieser Welt").

Doch gerade im Judentum, wo man sich durch den Jahreskreis hindurch mit dem jeweiligen Wochenabschnitt aus dem Pentateuch befasst, ist die gesellschaftsorientierte Lektüre lange eher vernachlässigt worden. Dies hatte freilich einen guten Grund: Während der langen Exilzeit(en) hatten die Juden ja kein souveränes Gemeinwesen, sondern nur relativ kleine Gemeinden mit sehr beschränkten Autonomierechten. Unter diesen Umständen sind Staatsfragen kaum bis gar nicht aufgetaucht, weshalb sie in der Regel auch nicht aufgegriffen worden (und wenn, dann aber eher als rein theoretisch-philosophische Übung).

Heutzutage, wo die Juden wieder ein souveränes Gemeinwesen, d.h. einen richtigen Staat haben, stehen diese Fragen ganz im Mittelpunkt - oder so soll es zumindest sein. Allgemein gesprochen geht es darum, was für einen Staat wir Juden haben wollen und sollen: einfach einen herzlschen "Judenstaat", d.h. einen normalen Nationalstaat nach abendländischem Muster? Oder eher einen jüdischen Staat, wo sich aber gleich die Frage stellt: Was sind eigentlich die "jüdischen Vorbilder", an denen sich ein "jüdischer Staat" zu orientieren hätte?

Für mich heißt es: Jüdischer Staat. Denn ansonsten ergibt die Existenz des modernen Staates Israels als eine kreuzritterliche Festungsinsel inmitten der feindlichen muslimischen See einfach keinen Sinn. Ganz im Gegenteil: Wenn die Juden nur als Privatpersonen, nicht aber in ihrem Gemeinwesen jüdisch sein sollten, dann könnten die Juden im Ausland eigentlich weit besser und nicht zuletzt auch sicherer leben.

Kurzum: Der Sinn der Souveränität Israels in dem ihm verheißenen Lande liegt nicht so sehr in der Vergangenheit, sondern vornehmlich in der Zukunft. Dies hat also nicht nur mit Realpolitik, sondern m. E. vor allem auch mit dem Gottesverständnis bzw. der Heilsgeschichte zu tun: Israels Aufgabe ist es eben, nicht passiv auf die Endzeit zu warten, sondern als Gottes Volk ganz aktiv die göttlichen Ideale von Freiheit, Gerechtigkeit und Moral hier auf Erden zu verwirklichen - wie es dreimal täglich im Gebet heißt: "zur Vervollkommnung der Welt in Gottes Reich". Uns, die wir dazu auserwählt sind, liegt es also ob, die in unseren Schriften enthaltenen Vorstellungen zu politisieren, d.h. öffentlich, gründlich und praxisorientiert zu besprechen, um sie dann mittels eines jüdischen Staates vorbildlich zu verwirklichen:

Ich, der Ewige, habe dich in Gerechtigkeit gerufen und ergreife dich bei der Hand. Und ich behüte dich und mache dich zum Bund des Volkes, zum Licht der Nationen


- Jesaja 42:6 (meine Hervorhebung, selbstverständlich)

Samstag, 10. November 2007

Ein Stück israelischer Kulturgeschichte

Git Woch allerseits,

nach der Gründung des Staates Israels waren die führenden Positionen innerhalb der zionistisch- bzw. nationalreligiösen Strömung über Jahrzehnte hinweg von Juden besetzt, die in der Tradition des deutsch-jüdischen Bürgertums verwurzelt waren; immerhin hing der Grundgedanke des religiön Zionismus sehr eng mit der neo-orthodoxen Lehre der deutschen Rabbiner Schimschen Rephuel Hirsch und Asriel Hildesheimer zusammen: Trotz aller Unterschiede im historischen Zusammenhang liegt beiden Strömungen der Wunsch zugrunde, Traditionell-Religiöses mit Modern-Weltlichem erfolglich zur Synthese zu bringen.

Vor diesem Hintergrund verstanden es die damaligen Führer der Nationalreligiösen als ihre Aufgabe, den Abstand zwischen Säkularen und Ultraorthodoxen zu überbrücken. Dazu gehörte u. a. auch das weltliche Medium des Fernsehens: Von den überwiegend säkularen Regierungen, die damals noch gänzlich über das Fernsehen verfügten, bekamen die "daitschen" Funktionären in den 1980er Jahren die Sendezeit gleich nach dem Schabbesausgang zur Verfügung gestellt.

Diese kostbaren Sendestunden wurden dann nach guter daitscher Tradition mit religiösen Chorgesängen und sonstiger Liturgie gefüllt. Allerdings mit wenig Erfolg: Die Säkularen mochten diese Sendungen nicht, weil sie "religiös" wirkten; den Nationalreligiösen gefielen sie ebenfalls nicht, weil sie nie eine richtige Botschaft an die Säkularen hatten (das wäre damals eine Zumutung gewesen) und den Nationalreligiösen selbst einfach zu langweilig waren; und die Ultraorthodoxen hatten eh keine Fernsehapparate. Dass es so etwas überhaupt im Fernsehen gab, wurde von (fast?) allen Zuschauern als Tribut der säkularen Elite an die politischen Macher der Nationalreligiösen betrachtet - und zwar mit gutem Grunde.

Anfang der 1990er Jahre ist das Kabelfernsehen erstmals im zionistischen Schnellkochtopf eingetroffen - und mit ihm eine bis dahin noch nie erahnte Auswahl an alternativen Fernsehprogrammen. Der Wandel war so umfangreich, dass er bereits 1992 in einem damals sehr erfolgreichen Film aufgearbeitet wurde. Der Film hieß schlicht und einfach Kabel und kam durch Zusammenarbeit prominenter Komödianten zustande. Dabei nahm er natürlich auch auf das staatlich erzwungene Fernsehprogramm Bezug - und der "daitsche" Kantorismus blieb selbstverständlich nicht verschont:



Ach, those were the days...

Der Wortlaut dieses satirischen Stücks besteht übrigens nur aus vier hebräischen Wörtern, die so viel bedeuten wie: "Seid fröhlich und freut euch über das Meer Gottes". "Seid fröhlich und freut euch über..." ist einem echten Lied entnommen, das zu Simchat Thorah gesungen wird. "Das Meer Gottes" hingegen - wie lässt es sich positiv formulieren? - kommt hier erstmals vor.

Nachtrag [11.11.2007]: Auf YouTube habe ich noch etwas aus Kabel gefunden. Die Interpretation überlasse ich diesmal euch...

Freitag, 9. November 2007

Wieder-Wieder-Wiedergutmachung

Ausgerechnet am 9. November - es ist kein Zufall:

Minister for Pensioner Affairs Rafi Eitan is seeking to reopen the 1952 reparations agreement between Israel and Germany.


Liebe Mitjuden: Beschlossen ist geschlossen - und vorbei ist vorbei!

Weiteres dazu auf haAretz.com

Nebenbei bemerkt:

1. Die bloße Idee, dass Überlebende des Holocaust aufgrund ihrer Vergangenheit alleine zu größerer staatlicher Förderung berechtigt sein sollten als andere Alte, die "einfach" "nur" arm, krank oder sonstwie bedürftig sind, ist schon an und für sich lauter Unsinn. Das ist keine Politik mehr, sondern Schnorrerei, der unsere sehr wackelige Regierung nicht standgehalten hat (und jetzt versucht diese Unregierung die Verantwortung dafür auf die Deutschen zu schieben).

2. Die meisten Alten, welche die neue Regelung der israelischen Regierung betrifft, sind eh keine Überlebenden im eigentlichen Sinne. Gemeint sind Zuwanderer aus der ehem. UdSSR, welche zur Kriegszeit hinter oder sogar an der Front waren, was im Stalin-Reich freilich kein großes Vergnügen gewesen ist, aber trotzdem noch nichts mit dem von den Nazis ausgehenden Holocaust zu tun hat.

a gutn Schabbes, a gutn Choidesch
Yoav

Mittwoch, 7. November 2007

Wir sind Papst!

Kaum hat man es geschafft, den merkwürdigen Beitrag des sog. "Zentralrates der Juden in Deutschland" zum öffentlichen Kreuzzug gegen Staatsfeindin Eva Herman zu vergessen - und schon macht sich der Zentralrat wieder lächerlich. Als Anlass bietet sich diesmal der baden-württembergische Landespresseball, der heuer am 9. November stattfindet und zwar unter Schirmherrschaft von Günther Oettinger, dem baden-württembergischen Ministerpräsidenten.

Wie bitte? Festliche Unterhaltung am 9. Aw - err... 9. November? Nicht in unserer Zentralratsrepublik: "Der Ministerpräsident hätte klipp und klar sagen müssen [sic!]: 'Das geht nicht'". Dieses Diktat öffentlich bekannt zu geben, hat sich Stephan Kramer, Generalsekretär des Zentralrates der (aller?) Juden in Deutschland, erlaubt (zitiert im Spiegel). Dabei ist Kramer freilich entgangen, dass die deutsche Geschichte am 9. November nicht nur Schlimmes aufzuweisen hat, wie ihm Millionen seiner Mitbürger erklären könnten. Weiters fehlt ihm die Einsicht, dass nicht alles, was Menschen an einem bestimmten Tage machen, unbedingt damit zusammenhängt, was an diesem Tage in der Geschichte passiert ist. Noch auffälliger ist jedoch, dass Kramer offenkundig das Gefühl hat, der Zentralrat müsste der Nation auch in diesem Fall Moralunterricht erteilen.

Denn trotz aller öffentlichen Auftritte des Zentralrates (da hat man offensichtlich viel Freizeit), belangt es den Zentralrat überhaupt nichts an, was die Landespressekonferenz Baden-Württemberg (oder jede andere Organisation, die nichts Unmittelbares mit Judentum als solchem zu tun hat) am 9. November (oder an jedem anderen Tag) veranstaltet. Wie soll, wie kann man also dieses komische Verhalten verstehen? Einen wichtigen Hinweis liefert die tageszeitung:

Presseballorganisator Jens Fink sagte der taz, die Resonanz auf das von Oettinger gewünschte Tanzverbot sei "überwiegend Unverständnis". Auch er könne die Bedenken des Zentralrats nicht nachvollziehen. Schließlich habe schon 1990 ein Presseball am 9. November stattgefunden, "und damals hat sich keiner beschwert".


Irgendwas muss also inzwischen passiert sein, damit der Zentralrat überhaupt den Eindruck gewinnen konnte, es wäre jetzt die Zeit für moralistische Expansionspolitik. Meines Erachtens ist dies auf zweierlei zurückzuführen, das eigentlich sehr eng miteinander zusammenhängt: Einerseits die neue Juden- bzw. Zuwanderungspolitik, welche die Berliner Republik zwar von der letzten DDR-Regierung mit ererbt, dann aber ganz bewusst und gezielt weiter betrieben und entwickelt hat (vgl. etwa den Staatsvertrag); andererseits die neuen Muster der Vergangenheitsbewältigung bzw. Holocaustaufarbeitung, die erst nach Abschluss der innerdeutschen Teilung in diesem Umfang möglich wurde und sich in der Fülle von Gedenkstätten oder etwa Filmen mit jüdischer Thematik bekundet.

Wenn man nun die staatlich geförderte Verzehnfachung der Zahl der Juden in Deutschland, in deren Namen der Zentralrat zu sprechen glaubt, mit der zentralen Rolle des Juden in der neuen deutschen Geschichtspolitik verbindet, wird einem klar, wie es zum vermeintlichen Mitspracherecht des Zentralrates kommen konnte, und zwar selbst in rein innerdeutschen Angelegenheiten. Allerdings wird es wohl nicht mehr lange dauern, bis das Pendel der politischen Macht sein Extrem erreicht. Der Zentralrat verhilft ihm dorthin.

P.S.
Noch zu untersuchen wäre, wie der Zentralrat etwa den Leo-Baeck-Preis zugunsten seiner Expansionspolitik einsetzt. Angela Merkel ist ja nicht die erste hochrangige, noch aktive (!) Politiker/in, die diesen Preis verliehen bekommt. Ist es übrigens auch euch aufgefallen, dass die Bundeskanzlerin diesen Preis von einer Organisation bzw. Körperschaft bekommen hat, die selber ihre Finanzierung von der Bundesregierung bekommt?

Sonntag, 4. November 2007

Berlin - Hebräisch - Speyer

I.

"Kol Berlin", die Stimme Berlins, ist eine hebräischsprachige Rundfunksendung im OKB, dem Offenen Kanal Berlin, moderiert von Aviv Russ. Ab sofort stehen die Sendungen auch im Internet zur Verfügung und zwar unter:

http://www.icast.co.il/default.aspx?p=Podcast&id=54850

Für alle also, auf die diese Sprache therapeutisch einwirkt. Aviv könnt ihr übrigens unter kolberlin@gmail.com anschreiben, etwa um euer Lieblingslied zu erbitten.

II.

Einer Anregung durch medbrain zufolge bin ich letzte Woche nach Speyer gereist. Mir ist das Städtl etwas nibelungisch vorgekommen, wohl aufgrund der optischen Kongruenz zwischen dem salischen Dom einerseits und Fritz Langs Kriemhilds Rache (dem 2. Teil seines Nibelungenepos) andererseits.

III.

Und was verbindet Berlins hebräischsprachige Rundfunksendung mit meiner Reise nach Speyer? "Sapir", mein heutiger Nachname, war die Wahl meines seligen Vaters, als er den Familiennamen "Speyer" hebräisiert hat. "Sapir" bedeutet auf Hebräisch Saphir.