Freitag, 8. Dezember 2006

Die Grenzen der Angst

Gestern hat der "Spiegel" von einer "antisemitischen Welle an Schulen" berichtet. "Die [jüdische] Gemeinde [zu Berlin] rät Eltern, ihre Kinder bei Konflikten lieber auf jüdische Schulen zu schicken - dort seien sie zumindest sicher. Doch die Schutzzone endet außerhalb der Schulmauern", beobachten die Autoren und haben damit auch vollkommen Recht. Jedoch habe ich in Israel, wo man ja ebenfalls von Mauern und sonstigen Zaunanlagen besessen ist, gelernt, dass sich die Sache auch vollkommen umgekehrt betrachten lässt: Das Reich der Angst, das meistens erst daraufhin auch zu dem der eigentlichen Bedrohung wird, beginnt genau dort, wo die Mauer steht, mit der der "sichere" Raum einzugrenzen wäre. Denn ist es gerade die Mauer, die die Bedrohenden ermutigt und ihre Erfolgsaussichten bestätigt. Will sagen: Exklusive Eliteschulen mit jüdischer Mehrheit? Ja! Selbst auferlegte Abgrenzung? Nein!

Am besten also ohne Mauer, sondern mit mehr Mut, Stolz und Selbstbewusstsein. Das ist nicht nur an und für sich - also ganz abgesehen vom Antisemitismus - erstrebenswert, sondern kann im Endeffekt auch dazu beitragen, dass die Bedrohenden, die ihr Ziel - nämlich unter den Juden Angst zu schaffen - nicht erreichen könnten, keinen Spaß mehr daran hätten und allmählich resignieren würden. Allerdings unterscheidet sich Berlin von Israel ganz evident dadurch, dass die Juden hier eine kleine Minderheit sind (und bleiben) und daher keine Möglichkeit haben, ein gewisses, zur Abschreckung ausreichendes Gleichgewicht zwischen etwaiger Gewalt und Gegengewalt herzustellen (wozu übrigens auch Israel selbst inzwischen nicht mehr besonders fähig zu sein scheint). Deshalb sind wir, die Juden in Deutschland und insbesondere in Berlin, nicht zuletzt wohl auf die Unterstützung der deutschen Umgebung - etwa im Sinne von Horst Schultes Stellungnahme zu diesem Thema - angewiesen. Wichtig ist auf jeden Fall zu merken, dass nicht nur antisemitische Übergriffe, sondern auch Mauern und ähnlich eingreifende Schutzmittel eigentlich Gewalt sind - gerade gegen diejenigen, denen sie dienen sollten und deren Welt dadurch gespaltet wird - und daher auf die Dauer keine plausiblen Maßnahmen bilden können.

1 Kommentar(e):

schmetterlingsfrau hat gesagt…

Hallo Yoav

Ich nehme dich in meine Blogrolls auf. Mir erging es umgekehrt - ich ging nach Israel. Deine Berichte sind sehr interessant.