Montag, 29. Jänner 2007

Kleinigkeiten zur Demo

Gestern hat die bislang schon viel besprochene ILI-Demo gegen Ahmadineschad bekanntermaßen stattgefunden:




Im Grunde genommen bin ich nie gegen das Problem, sondern vielmehr für die Lösung (was im persönlich Leben zwar sehr schwer fällt, aber immerhin). In dem Sinne bin ich auch nicht gegen den iranischen Präsidenten, der ja nichts mehr ist als eine Herausforderung an uns: Haben wir uns denn wirklich so sehr durch den Holocaust verändert, wie wir glauben? Oder erwarten wir noch immer, dass "die Welt" unsere Aufgaben für uns erledigen würde? Kurzum: Haben wir den Mut, dieser Herausforderung gerecht zu werden? Also war ich doch dabei und zwar mit einem angemessenen Schild, das irgendwie nicht ganz mit dem "Wir wollen Frieden für alle" im Einklang stand:



Nur habe ich leider nicht damit gerechnet, dass Wasserbuntstiften bei Regen nicht standhalten... Und in der Tat hat mich dann jemand gefragt, ob ich mir dessen (angesichts des nicht gerade willkommen heißenden Wetters) immer noch so sicher bin...
Naja ;-)

Freitag, 26. Jänner 2007

Dennis Milholland

Trotz aller guten Absichten konnte ich heute bzw. gestern leider, leider nicht nach Potsdam, zum Prozess gegen Dennis Milholland. Und nicht nur das, sondern ich habe jetzt auch feststellen müssen, dass Dennis' Brief und damit auch seine E-Mail-Adresse in meinem Konto verloren gegangen ist. Wahrscheinlich habe ich den Brief irgendwann beim Aufräumen irrtümlicherweise gelöscht. Also Dennis, falls du zufälligerweise diesen Beitrag liest, möchte ich gerne wissen, was sich gestern da alles zugetragen hat. Auch andere, die vielleicht da waren, sind natürlich eingeladen, davon zu berichten!

Einstweilen a gutn Schabbes,
Euer Yoav

Mittwoch, 24. Jänner 2007

Zwischen Pharao und Hitler: Eine Überlegung zum 27. Jänner

Im jüdischen Kalender lesen wir zurzeit die Wochenabschnitte zur Erlösung aus dem ägyptischen Exil, im europäischen Kalender kommt gleich der »Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus«, also der Tag der Befreiung der letzten Auschwitz-Häftlinge. Dieser Zusammenhang lädt uns zum Vergleich ein: Was dachten sich die Kinder Israels bei der Verfolgung, als die Ägypter sie versklavten und deren Söhne ermorden wollten? »Und sie schrien«, erzählt uns die Thorah und lässt vermuten, dass sie sich fragten, was sie denn getan hätten, weshalb sie jetzt so sehr bestraft werden müssten. Da könnte man auch heute fragen, worauf Gott damals noch wartete, warum er dieses Schicksal überhaupt zuließ. Diese Schwierigkeiten werden aber noch verstärkt, wenn wir erfahren, dass es gerade Gott war, der das Herz des Pharao verhärtete, der also über Pharao die Verfolgung seines eigenen Volkes verschlimmerte. Die ganze Katastrophe war mithin eine rein göttliche Produktion! Aber was wäre denn die Sünde des Volkes gewesen, die diese Katastrophe erklären könnte?

Heutzutage sagen viele Leute, dass es Begebenheiten gibt, die sich nicht erklären lassen. So eine soll etwa die Schoah sein. In der Tat können wir auch in der Thorah keine Sünde finden, wegen deren Gott die Kinder Israels bestraft hätte, geschweige denn eine so schlimme, um damit die Verfolgung in Ägypten erklären zu können. Trotzdem sind wir in der Lage, dieses Rätsel zu lösen. Dazu müssen wir mehrere Jahrhunderte, bis in die Zeit des ersten Erzvaters, Abrahams, zurückgehen. Im Wochenabschnitt »Lech Lecha« wird uns von Abrahams – der damals noch Awram hieß – erstem Bündnis mit Gott erzählt (Bereschit/Genesis 15), in dem Gott ihm u. a. versprach, dass seine Nachkommenschaft im Exil noch verfolgt und versklavt werden wird. Wichtig ist jetzt für uns nicht nur, dass jene frühere Katastrophe von Gott vorherbestimmt wurde, sondern vor allem auch, dass sie vom Initiator selbst auf keine Ursache zurückgeführt wird! Ganz im Gegenteil, denn Gott versprach ferner, dass die Opfer dieser Verfolgung später »mit großem Vermögen« ausziehen werden. Der Sinn der Katastrophe ist folglich nicht in deren Vergangenheit, sondern in deren (damaligen) Zukunft zu suchen; und tatsächlich lesen wir zurzeit, dass Gott den Pharao immer wieder dazu bringt, den Gräuel der Verfolgung weiterzuführen – aber nicht wegen einer Ursache, sondern zu einem Zweck, und zwar um sein Volk mit vielen Zeichen und Wundern aus Ägypten zu führen.

Mit diesem Musterbeispiel will uns die Thorah lehren, dass den Schlüssel zum Verständnis der Geschichte von einem jüdischen Gesichtspunkt aus nicht in der Vergangenheit, sondern vielmehr in der Zukunft der jeweiligen Begebenheit liegt. Warum hat es also die Schoah gegeben? Diese Frage teilt sich, wie wir nun wissen, in zwei: »Weshalb?« und »Wozu?«. Um die Ursachen bemüht sich noch immer die Geschichtswissenschaft, die schon sehr interessante Interpretationsversuche bieten kann; nach dem bzw. den Zwecken dieser jüngeren Katastrophe muss jedoch jeder von uns selbst suchen. Nicht wir, die wir ja noch keine richtige Perspektive haben, sondern erst die künftigen Generationen werden beurteilen können, welche der vielen Vermutungen in Anbetracht der geschichtlichen Entwicklungen sinnvoller erscheinen. Nichtsdestoweniger liegt es an uns, unsere Nachkommen mit Möglichkeiten auszustatten, die Worte des Propheten auf unsere Zeit anzuwenden (Jesaja 45, 7): »Ich erschaffe das Licht und mache das Dunkel, ich bewirke das Heil und erschaffe das Unheil. Ich bin der Herr, der das alles vollbringt!«

P.S. Wenn wir Hitler schon erwähnt haben: Gestern habe ich Dany Levis "Mein Führer" gesehen. Nein, der Film verstößt nicht gegen den guten Geschmack oder irgendeines "richtige" Geschichtsverständnis; dafür ist er einfach zu banal. Man muss sich schon mühen, um selten ein Lächeln zu erzwingen, denn in der Regel wird man von enttäuschender Langeweile überwältigt. Kurzum ist der Film nicht einmal eine Diksussion wert - schon aber die Gesellschaft, in der man mit dieser Überflüssigkeit so viel Aufmerksamkeit (und nicht zuletzt auch Geld!) verdienen kann. Tut euch selbst also einen Gefallen und spendet diese 6 Euro an die Bedürftigen.

Freitag, 19. Jänner 2007

Wir sind keine Porzellanmenschen

Eine der Sachen, die mich hier am meisten stören, sind die Polizisten und sonstige Wächter, die vor jüdischen Einrichtungen stehen bzw. am Eingang die Besucher kontrollieren. Dieses Phänomen kommt zugegebenermaßen nicht nur in Deutschland, sondern auch in anderen Ländern Europas vor, und selbst in Israel wird man überall kontrolliert. In Israel begegnen einem diese Schutzmaßnahmen jedoch nicht gerade an "jüdischen Orten", sondern in Einkaufszentren, auf Bahnhöfen usw., wo sie immerhin aufs Strengste abzulehnen sind: In dem Moment, wo sich die Juden selbst ghettoisieren, haben unsere Feinde den qualitativen Sieg schon erreicht, und es ist dann vollkommen gleichgültig, wie viele sie dann auch tatsächlich ermordet haben. Unseren Lebens-, sprich: Kampfwillen haben sie somit bereits überwältigt. Dass die israelischen Streitkräfte in der Regel nur reagieren, also erst dann zurückschlagen (von richtigen Kampfleistungen ganz und gar zu schweigen), nachdem der Feind "erfolgreich" gewesen ist, zeigt allzu deutlich, wie sehr sich die Juden in Israel an die Selbstghettoisierung, d.h. an die ständige Kontrolle und Überwachung gewöhnt haben, wie sehr sie also eigentlich zu kapitulieren bereit sind - so sehr, dass sie auf diese unmögliche Art und Weise auch weiterhin leben könnten und eine militärische Reaktion, wie gesagt, erst nach einem vermeintlich erfolgreichen Einsatz des Feindes fordern, obwohl der Feind schon in dem Moment gewonnen hat, als sie die Selbstghettoisierung hinnahmen.

Das gilt nun umso mehr für die Diaspora, insbesondere aber für Deutschland. Dass Juden hier wieder leben, ist ja nicht selbstverständlich, wie etwa am Staatsvertrag zu erkennen ist. Vor allem wird jedoch die Verantwortung der Bundesregierung für die Sicherheit der deutschen Juden vorausgesetzt. Dass diese in keinem Gesetz festgeschrieben steht, ist leicht erklärlich: Die Bundesregierung sowie die Landesregierungen sind für die Sicherheit aller Deutschen, ja der ganzen Bevölkerung verantwortlich und dürfen hier nicht differenzieren; sonst würde sich jeder Deutsche fragen, warum die Juden besser geschützt werden sollten als er. In der Tat sind aber die Juden aus politischen Gründen doch besser als andere zu schützen, wovon die bloßen Schutzmaßnahmen zeugen, die mich so ärgern. Ob sie aber über die Kosten hinaus auch richtig und wirksam sind?

Meiner Ansicht nach sind es gerade diese Maßnahmen, die einen Kreis um die Juden herum zeichnen und diese somit als Angriffsziel markieren. Sicheres Leben heißt angstloses Leben - doch es kann der Angst kein Ende gemacht werden, solange die Polizisten vor den Synagogen stehen, solange jüdisches Leben ummauert, also eigentlich ghettoisiert ist. Wenn die Bundesregierung Schwierigkeiten damit hat, ihrer Sonderverantwortung gerecht zu werden - und diese Schwierigkeiten hat sie wohl schon -, dann muss sie ihr Problem so lösen, dass die Juden ihr normales, d.h. angstloses Leben weiterführen können. Die Unkosten der behördlichen Schutzmaßnahmen an jüdischen Orten sollte sie daher am besten dorthin lenken, wo sie nützlich wären, etwa zur verstärkten Überwachung unter Nichtjuden und zur rechtzeitigen Beseitigung möglicher Bedrohungen, die jedenfalls nicht unter den Juden selbst ausfindig gemacht werden können. An uns, den Juden in Deutschland, vor allem jedoch an den deutschen Juden liegt es, die Bundesregierung darauf hinzuweisen, dass dieses Problem das ihrige ist und bleibt, welches sie uns nicht "unterschieben" darf.

P.S. Bei dieser Gelegenheit erinnere ich auch an den Schmachprozess gegen Dennis Milholland, der am 25. d. M. in Potsdam stattfindet bzw. beginnt.

Samstag, 6. Jänner 2007

Eine kleine Fernsehkritik

Gut Woch allerseits,

so, vor kurzem bin ich wieder in den Alltag zurückgekehrt. Inzwischen hat sich aber ziemlich viel bei mir angehäuft, weshalb ich mich vorerst etwas kürzer halten muss: Kürzlich habe ich drei Sendungen des arte-Vierteilers "Die Enthüllung der Bibel" gesehen, ein sehr interessantes Stück Bibelkritik nach der Auffassung des Tel-Aviver Archäologen Israel Finkelstein. Für ihn sowie für seinen engsten Kollegen, Neil Asher Silberman, geht es immer darum, die Funde so zu interpretieren, dass die Bibelerzählungen zur Geschichte Israels weitestgehend als eine fast konspirative, bloß ideologische Propaganda "enthüllt" werden könnten. Obwohl oder eigentlich gerade deswegen, weil die Meinungen der beiden, die für Vertreter der "Tel-Aviver Schule" in Sachen Bibelkritik gehalten werden können, von vielen anderen Forschern kaum angenommen werden, tragen sie viel zur Diskussion bei und ihre Bücher erfreuen sich breiter Leserschaft. Allerdings kann man ruhig davon ausgehen, dass ihre Interpretationsversuche genau so den eigenen politischen Anschauungen dienen, wie sie es der Bibel vorwerfen.

Von diesem wichtigen Zusammenhang möchte arte, der als deutsch-französischer Sender schon von der Geographie her in der heutigen Peripherie des Faches Bibelarchäologie arbeitet, jedoch gerne absehen. Denn durch Finkelstein bietet sich anscheinend die Gelegenheit, die Bibel gerade in der westchristlichen Hochsaison zu unterminieren, ohne die Karten offen legen zu müssen - nach allem ist es hier kein "normaler" Gesprächspartner, sondern ein Jude aus Israel, der uns seine Vermutungen zu den Bibelgeschichten "enthüllen" und dennoch den Sender zugleich von der Notwendigkeit befreien sollte, doch etwas Abstand zu halten und vielleicht sogar kritisch zu sein. Dass Finkelsteins Auffassung und Annahmen sehr umstritten sind, wird also nicht einmal erwähnt. Ferner wird z. B. auch gar nicht darauf hingewiesen, dass Finkelsteins im Programm sehr oft und als einzige vorgebrachte Datierung archäologischer Funde, anhand deren er viele Bibelgeschichten widerlegen zu können glaubt, in der Tat ein Extremfall ist, der bewusst von der sonst an den Universitäten üblichen Datierungsmethode abweicht. Ganz im Gegenteil: Finkelsteins Meinungen und die vielen Interview-Ausschnitten mit ihm bilden den Kern des Programms, das größtenteils eigentlich eine kritiklose Verfilmung seines ersten Buches mit Silberman zum Thema ist. Seine Aussagen werden mit so viel Entschlossenheit vorgestellt, dass man unbewusst den Eindruck gewinnt, sie wären schon im Konsens und unter den Forschern weit verbreitet. Und um diesen Eindruck zu verstärken, werden sie auch noch durch kurze Aussagen anderer, selbstverständlich gleichgesinnter Gesprächspartner ergänzt und bestätigt. Noch einseitiger kann es einfach nicht werden.

Hätte ich es von arte als "aufklärerischem" Sender erwarten sollen? Offensichtlich doch, denn die Aufklärung als solche ist ja eine säkularisierte Religion und zwar eine fanatische. Was arte damit im Hinblick auf Politik und Propaganda bezwecken will, lässt sich leicht vermuten.

Finkelsteins Bücher (in Zusammenarbeit mit Silberman) sind höchst interessant, selbst wenn er sich auch dort erlaubt, auf die unerlässliche Auseinandersetzung mit anderen Forschern zu verzichten. Man muss sie zwar mit Verdacht lesen, aber sie bieten viel Stoff zum Nachdenken. Schade, dass er sich so gerne vom Fernsehen missbrauchen lässt, um seine Meinungen zusammenhang- und kritiklos als die einzig gültigen vorbringen zu können (was übrigens gar nicht so schlimm wäre, wenn das Programm nicht der "Enthüllung der Bibel", sondern seiner Person gewidmet wäre).