Donnerstag, 10. Jänner 2008

Roland Koch und das politische Klima

Roland Koch schlägt in der Öffentlichkeit bekanntermaßen Wellen. Doch seine Einstellung darf uns gar nicht überraschen. Er ist nur eine von mehreren Blumen im politischen Garten, gewachsen auf dem Nährboden des allgemeinen Integrationsdiskurses. Die Problematik dieses vorherrschenden Denkmusters besteht in der falschen Vorstellung, die ihm zugrunde liegt.

Es wird nämlich suggeriert, dass es eine durch die inländische Herkunft bedingte Gesinnungs- bzw. "Werte"-Gemeinschaft gäbe, zu der "die Ausländer" (v. a. aus dem Südosten, nicht aber die blitzschnell eingebürgerten "Siebenbürger Sachsen") schon aufgrund ihrer ausländischen Herkunft nicht dazugehören - es sei denn natürlich, dass sie sich in die inländlische Gemeinschaft "integriert" hätten. Also wird "den Ausländern" - gemeint sind natürlich nie Neuankömmlinge aus dem Westen und dem Norden - pauschale Verbesserungsbedürftigkeit unterstellt.

Dabei wird vertuscht, dass es diese inländische Wertegemeinschaft nicht gibt - und auch gar nicht geben kann: Viele Einheimische haben Schwierigkeiten, ihren Platz in der bürgerlichen Gesellschaftsordnung zu finden und sich an die bürgerlichen Normen anzupassen. Noch bilden Inländer die überwältigende Mehrheit der hiesigen Delinquenten. Jedoch wird in Bezug auf die Inländer nicht verallgemeinert, und von der Integrationsbedürftigkeit der Deutschen ist in der Öffentlichkeit kein Wort zu hören. Denn Deutsche, das versteht doch jeder, brauchen Hilfe; Ausländer hingegen müssten integriert werden.

Warum fördern also die Politiker der bürgerlichen Mitte trotzdem den Integrationsdiskurs? Ich vermute, dass sie sich gerade deswegen dieser Rhetorik bedienen, weil sie eine exklusive Wirkung hat. Mit ihr wird ein angenehmes Wir-Gefühl verbreitet, das die Wählerschaft zufrieden stellt: "Sind wir nicht toll? Wir haben ja unsere Werte!", redet sich der Junge mit dem Hauptschulabschluss ein und fühlt sich gleich, als würde er dazugehören.

Die bürgerlichen Politiker hoffen, womöglich unbewusst, dass er sich für diese billige Identitätsstiftung mit dem richtigen Stimmzettel noch bedanken wird. Gute Aussichten wird dann der Junge noch immer nicht haben - dafür aber einen moralischen Anspruch... Und den Alten von morgen wird es wohl auch recht sein, sich mangels Arbeitskräfte mit niedrigeren Renten zufrieden geben und auf den gewohnten Pflegestandard verzichten zu müssen, solange Deutschland seine "Werte" noch bewahrt.

Kurzum: Das Problem mit Roland Koch ist nicht sein Extremismus, sondern sein Konformismus.

P.S.
Wie immer... hat sich auch in diesem Fall der Zentralrat gleich zu Wort gemeldet. Chajm hat die Sache schon auf den Punkt gebracht. Auch Adi hat sich kurz dazu geäußert (wenn auch weniger kritisch). Die Preisverleihung an Angela Merkel habe ich übrigens in diesem Beitrag vom 07. November 2007 hinterfragt (ganz am Ende). Eine Frage bleibt aber offen: Was, um Himmels willen, geht es den Zentralrat als Bundesvertretung jüdischer Gemeinden und Landesverbände überhaupt an?

2 Kommentar(e):

Anonym hat gesagt…

Eine Frage bleibt aber offen: Was, um Himmels willen, geht es den Zentralrat als Bundesvertretung jüdischer Gemeinden und Landesverbände überhaupt an?

Gar nichts und alles, der Zentralrat will gehört werden, gewisse Leute dort haben eine Öffentlichkeitsgeilheit die nicht übersehen werden kann. Traurig, unter Galinsky z"l wäre es nie so gewesen

Anonym hat gesagt…

Hi Yoav,

Du hast einen wunden Punkt in der "deutschen Seele" berührt: das manchmal etwas gestörte Stolzseindürfen auf sein Land, das dann zu einer gesteigerten Zusammenschweißrhetorik führt, die alles ausgrenzt, was nicht "zu uns" gehört, z.B. "die" AUS-länder. Vielleicht ist das in Israel ja manchmal auch so. Manche Politiker verzerren das Bild von "uns" und "denen" auf unlautere, schäbige, unehrliche Weise und machen alles, was zu "uns" gehört, zu etwas, worauf man stolz sein kann, und alles, was zu "denen" gehört, zu etwas, worauf man auf keinen Fall stolz sein dürfte. Der kritisch denkende Mensch, der auch persönlich "Aus"-länder (eigentlich sind wir ja alle Weltinnenländer oder nicht?) kennt und Auslandserfahrungen hat, kann aber durchaus typische parteipolitische Meinungsmache von niederer Schlechtmache unterscheiden und weiß sehr wohl, daß es außerhalb Deutschlands vieles gibt, worauf "wir" stolz sein würden, wenn wir es hätten, und daß es in Deutschland Dinge gibt, auf die niemand stolz sein kann. Ich finde aber, man sollte diesen Abgrenzungen und Pauschalierungen und Klischees auch etwas verzeihend entgegnen als etwas allzu Menschliches, weil der Mensch halt immer gerne Seins als das Bessere sehen können will. Diese sprachliche scharfe Trennung in In- und Ausländer im Deutschen ist meiner meinung nach gar nicht so zwingend abwertend gedacht, sondern einfach eine logische Abgrenzung in Bezug auf Örtlichkeit. Ich glaube, daß "die Deutschen" mit sich selbst untereinander und in verschiedenen Gruppen und Orten genauso hart ins Gericht gehen, wenn da jemand von "Außerhalb", sagen wir mal ein Hesse bei den Bayern, diesen seine "Werte" aufschwätzen will. Da wird in Deutschland einfach erst einmal von einem Gast erwartet, daß er sich nicht völlig ignorant den Gepflogenheiten seines Gastgebers gegenüber verhält. Natürlich ist es schlecht, wenn Koch falsche Bilder vermittelt und Vorurteile schürt. Stolzer sind "wir" aber dann doch auf Politiker, die das nicht nötig haben und die haben wir in Deutschland wie im Ausland doch auch.

Gruß von Christoph.Hans.Messner@gmx.de